BGH: Vertretung der verwalterlosen GdWE bei Beschlussklagen

Eine verwalterlose Wohnungseigentümergemeinschaft wird in einem Prozess eines Eigentümers gegen die Gemeinschaft von den übrigen Eigentümern gemeinschaftlich vertreten. Verbleibt nur ein vertretungsbefugter Eigentümer, vertritt dieser den Verband im Prozess allein.

Hintergrund: Beklagte Gemeinschaft hat keinen Verwalter

In einer aus zwei Einheiten bestehenden Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), in der kein Verwalter bestellt ist, hat eine Wohnungseigentümerin eine Beschlussersetzungsklage eingereicht, mit der sie die Bestellung einer bestimmten Verwalterin erreichen will.

Der BGH hatte sich unter anderem mit der Frage auseinanderzusetzen, ob der andere Wohnungseigentümer die GdWE als beklagte Partei in dem Verfahren allein vertreten kann oder ob für die Gemeinschaft ein Prozesspfleger nach § 57 ZPO bestellt werden müsste.

Entscheidung: Übrige Eigentümer vertreten Gemeinschaft

Der BGH bejaht eine Vertretungsbefugnis des anderen, nicht klagenden Wohnungseigentümers.

Hat eine GdWE keinen Verwalter, wird sie durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten, so § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG. Ansonsten vertritt der Verwalter die Gemeinschaft gerichtlich und außergerichtlich.

Erhebt ein Wohnungseigentümer in einer verwalterlosen Gemeinschaft gegen diese eine Beschlussanfechtungsklage, eine Nichtigkeitsklage oder eine Beschlussersetzungsklage (Beschlussklage gemäß § 44 WEG), ist der klagende Eigentümer von der Vertretung ausgeschlossen, denn prozessrechtlich ist es nicht zulässig, einen Rechtstreit mit sich selbst zu führen, auch als Vertreter eines anderen. In solch einem Fall wird die Gemeinschaft in diesem Prozess durch die übrigen Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten. Verbleibt nur ein Wohnungseigentümer, der keinem Vertretungsverbot unterliegt, vertritt er den Verband im Prozess allein. Die Bestellung eines Prozesspflegers für die GdWE ist nicht erforderlich.

Dem Gesetzestext in § 9b Abs. 1 Satz 2 WEG lässt sich nicht entnehmen, dass ein in der Person eines einzelnen Wohnungseigentümers verwirklichter Ausschlussgrund zwangsläufig die Vertretungsmacht der übrigen Wohnungseigentümer erfassen soll. Die Fassung der Norm erlaubt vielmehr auch die Deutung, dass die Gesamtvertretung durch alle Wohnungseigentümer zwar die Regel sein soll, Ausnahmen aber möglich bleiben.

§ 9b Abs. 1 Satz 2 WEG soll die Vertretung der Gemeinschaft gewährleisten, wenn kein Verwalter bestellt ist. Dieser Zweck würde im Rahmen von Beschlussklageverfahren, in denen die klagenden Wohnungseigentümer immer von der Vertretung ausgeschlossen sind, niemals erreicht, wenn dieser Ausschluss zur Folge hätte, dass eine Vertretung durch die übrigen Wohnungseigentümer nicht möglich ist. Angesichts der Funktion von Beschlussklagen, einzelnen Eigentümern zu ermöglichen, die Beschlussfassung der Mehrheit überprüfen zu lassen beziehungsweise eine Beschlussfassung gegen die ablehnende Mehrheit zu bewirken, ist dies nicht hinnehmbar und der Minderheitenschutz wäre schwerer zu verwirklichen. Zudem könnte die Bestellung eines Prozesspflegers das Fehlen eines Verwalters nicht kompensieren.

(BGH, Urteil v. 8.7.2022, V ZR 202/21)

WEG-Reform regelt Klagegegner bei Beschlussklagen neu

Durch die WEG-Reform, die zum 1.12.2020 in Kraft getreten ist, hat sich bei Anfechtungs-, Nichtigkeits- und Beschlussersetzungsklagen (in der Überschrift zu § 44 WEG zusammenfassend als "Beschlussklagen" bezeichnet) der richtige Klagegegner geändert. Waren solche Klagen bisher gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten, ist im neuen Recht allein die Gemeinschaft der richtige Klagegegner, so dass sich in Fällen wie dem vorliegenden die Frage der Vertretung stellt.

§ 9b WEG Vertretung

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird durch den Verwalter gerichtlich und außergerichtlich vertreten, beim Abschluss eines Grundstückskauf- oder Darlehensvertrags aber nur aufgrund eines Beschlusses der Wohnungseigentümer. Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter, wird sie durch die Wohnungseigentümer gemeinschaftlich vertreten. Eine Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht ist Dritten gegenüber unwirksam.

(2) Dem Verwalter gegenüber vertritt der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats oder ein durch Beschluss dazu ermächtigter Wohnungseigentümer die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.


Das könnte Sie auch interessieren:

BGH: Nur Anfechtungsklage gegen die GdWE wahrt Anfechtungsfrist

BGH: Nur Eigentümergemeinschaft haftet für verauslagte Kosten

BGH-Rechtsprechungsübersicht zum Wohnungseigentumsrecht

Schlagworte zum Thema:  Wohnungseigentumsrecht