Rz. 5

Der Begriff der Maßnahmen, die zur Erhaltung der Mietsache erforderlich sind, ist ein umfassender. Er beinhaltet jede Störung des Mieters in dem vertragsgemäßen Gebrauch durch die Erhaltungsmaßnahmen. Der Mieter muss daher den Zugang zu den Mieträumen gestatten (LG Berlin, Urteil v. 11.8.2016, 63 S 202/16, GE 2016, 1385; LG Berlin, GE 1997, 245) und darf die Arbeiten nicht verhindern oder behindern. Zu dulden sind auch Belästigungen durch Lärm, Erschütterungen und Schmutz, Entziehung von Licht und Luft durch Bau von Gerüsten (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 555a Rn. 21). Können die Arbeiten nur durchgeführt werden, wenn die Räume nicht bewohnt werden, ist der Mieter auch zu (vorübergehendem) Auszug verpflichtet (LG Braunschweig, Urteil v. 20.11.1964, 7 S 315/64, DWW 1965, 85; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 555a Rn. 34). Der Vermieter ist aber gehalten, die Beeinträchtigungen für den Mieter möglichst gering zu halten. Nur in Ausnahmefällen kann die ansonsten unbeschränkte Duldungspflicht des Mieters eingeschränkt sein (etwa für den Fall eines unmittelbar bevorstehenden Auszugs des Mieters aus der Wohnung, BVerfG, Beschluss v. 14.1.1992, 1 BvR 1273/91, NJW 1992, 1378; vgl. auch zur Selbstmordgefahr bei bevorstehender Durchführung von Schönheitsreparaturen LG Berlin, GE 1986, 283 mit Anm. der Redaktion; sowie Müller, GE 1986, 623). Der Mieter darf die Durchführung der Maßnahmen auch nicht davon abhängig machen, dass der Vermieter erklärt, er werde für möglich Schäden aufkommen oder die Kosten der Wiederherstellung übernehmen (LG Frankfurt/M. ZMR 1968, 141; AG Neuss NJW-RR 1986, 891; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 555a Rn. 25).

 

Rz. 6

Der Mieter muss zwar die zur Erhaltung der Mietsache erforderlichen Maßnahmen dulden, braucht aber an diesen nicht (aktiv) mitzuwirken (LG Berlin, Urteil v. 23.12.2008, 65 S 62/08, WuM 2010, 78 mit Anm. Schach; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 555a Rn. 31; Marschollek, ZMR 1985, 1 ff.; ZMR 1986, 346 f.; LG Berlin, GE 1996, 187; a.A. Sternel, Modernisierung von A bis Z, S. 13; ders., Mietrecht, II Rn. 298 ff. m.w.N.). Unstreitig ist der Mieter verpflichtet, dem Vermieter und den von diesem Beauftragten nach vorheriger Absprache den Zugang zu seiner Wohnung zur Planung und Durchführung der Arbeiten zu gewähren (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 555a Rn. 23; AG Berlin-Schöneberg, Urteil v. 3.4.1987, 15 C 96/87, GE 1987, 629); der Vermieter braucht sich nicht auf gleich geschnittene Wohnungen im Hause verweisen zu lassen (AG Berlin-Schöneberg, a.a.O.). Ob die geplanten Maßnahmen zumutbar sind, ist noch nicht im Rahmen des Zutrittsrechts zu prüfen; es gelten im Übrigen für den Zutritt die mietvertraglich vereinbarten Besichtigungszeiten (AG Berlin-Schöneberg, a.a.O.). Besichtigungen zur Unzeit braucht der Mieter nicht zu dulden (Sonn- und Feiertage, Samstagnachmittage, Abendstunden ab 19.00 Uhr, Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 555a Rn. 23; Fuchs-Wissemann, ZMR 1986, 341), es sei denn, es ist Gefahr in Verzug (Köhler, a.a.O.). Bei dringendem Anlass darf der Mieter eine Besichtigung nicht verweigern, sofern der Vermieter seine Absicht 24 Stunden vorher angekündigt hat (AG Berlin-Schöneberg, Urteil v. 9.3.1990, 17 C 707/89, GE 1990, 379: Wasserrohrbruch). Der Vermieter ist beim Betreten der Wohnung nicht verpflichtet, die Schuhe auszuziehen (AG Berlin-Tiergarten, Urteil v. 2.10.1989, 10 C 251/89, GE 1990, 547).

Dass der Mieter Handwerkern den Zutritt zum vereinbarten Termin verweigert, rechtfertigt nicht die fristlose Kündigung (LG Berlin, Urteil v. 31.3.2000, 64 S 534/99, NZM 2001, 40).

Zwar findet bei der Duldungspflicht nach § 555a keine Interessenabwägung statt. Als allgemeines Prinzip jeder Rechtsausübung ist im Rahmen der Duldung aber zu prüfen, ob die beabsichtigten Instandsetzungsmaßnahmen dem Mieter zumutbar sind. Dabei gilt das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme. Hierbei kommt es auf die persönlichen Verhältnisse des Mieters an, auf die Dauer und Schwere der Beeinträchtigung sowie auf die Dringlichkeit der vom Vermieter auszuführenden Arbeiten (LG Hamburg Urteil v. 14.7.2020, 316 S 15/20, ZMR 2020, 839; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 555a Rn. 28). Ein durch die Baumaßnahme bedingter dreimalige Umzug innerhalb von neun Monaten überschreitet die Grenze des Zumutbaren (AG Bad Schwartau, WuM 1984, 215). Unter Umständen kann auch eine schwere Krankheit des Mieters dazu führen, dass der Vermieter die Instandsetzung zeitlich verschieben muss wie z.B. bei einer Erkrankung an Covid-19, ohne dass der Mieter innerhalb der Wohnung den zu erwartenden Belastungen durch die Reparaturarbeiten entgehen kann (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, § 555a Rn. 28). Der Mieter muss auch nicht hinnehmen, dass der Vermieter die Arbeiten nach Feierabend selbst oder mit Nachbarschaftshilfe ausführt (AG Hamburg-Blankenese, ZMR 2007, 866) oder in der kalten Jahreszeit die Fenster und Balkontüren der Mietwohnung in langsamer Arbeitsweise selbst streicht (LG Kassel, WuM 1981,36). Bei Außenputzarbeiten hat es der M...

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