Die in § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB angeordnete gesteigerte Unterhaltsverpflichtung, die gegenüber minderjährigen und nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB privilegierten volljährigen Kindern gilt, hat neben der Anwendung des geringeren notwendigen Selbstbehaltes diverse weitere praktische Auswirkungen.

 
Achtung

Das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern führt dazu, dass sich die Leistungsfähigkeit der Eltern für den Kindesunterhalt allein nach § 1603 Abs. 1 BGB richtet und damit unter Berücksichtigung des sog. angemessenen Selbstbehalts zu ermitteln ist. Die gesteigerte Unterhaltspflicht des § 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB mit der Reduzierung auf den sog. notwendigen Selbstbehalt greift dann nicht ein.[1]

Hierzu im Einzelnen:

4.4.2.1 Umfang der Erwerbstätigkeit

Den Unterhaltspflichtigen trifft eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Das heißt, er hat alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für sich und die Kinder zu verwenden. Als Unterhaltspflichtiger muss er danach seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen. Er ist grundsätzlich verpflichtet, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, das sind 40 Stunden in der Woche bzw. 173 Stunden im Monat.[1]

Soweit der Unterhaltspflichtige keine Arbeit hat, muss er sich unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel nachhaltig darum zu bemühen, eine angemessene Tätigkeit zu finden, wozu die bloße Meldung beim Arbeitsamt nicht genügt. Die Bewerbungsbemühungen müssen die nötige Nachhaltigkeit erkennen lassen und dürfen keine ungeklärten zeitlichen Lücken aufweisen.[2] Zu den Arbeitsplatzbemühungen gehört neben der im Falle einer Arbeitslosigkeit regelmäßig erforderlichen Meldung beim Arbeitsamt eine intensive Privatinitiative in Form von rechtzeitigen Bewerbungen auf Stellenangebote in Zeitungen u. ä., eigenen Stellenannoncen sowie mündlichen und schriftlichen Bewerbungen. Dabei dürfen sich die Bewerbungsbemühungen nicht auf den Wohnort des Unterhaltspflichtigen beschränken. Der Unterhaltspflichtige trägt im Verfahren die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast für seine Bemühungen und muss in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im Einzelnen in welchem zeitlichen Abstand in dieser Richtung unternommen hat.[3]

 
Hinweis

Zur Dokumentation der Bewerbungsbemühungen bietet sich für den Unterhaltspflichtigen folgende Checkliste[4] an:

  • Verfasste Bewerbungsschreiben chronologisch geordnet, durchnummeriert,
  • erhaltene Antwortschreiben (Absagen, Einladungen zu Vorstellungsgesprächen) auf die Bewerbungsschreiben, chronologisch geordnet und durchnummeriert, bei telefonischen bzw. persönlichen Vorsprachen: kurze Notiz mit Datum, Ansprechpartner, Stellenbeschreibung und Inhalt des Gesprächs,
  • selbst geschaltete Anzeigen in Tageszeitungen, Wochenblättern in Kopie,
  • Aufstellung über Termine beim Arbeitsamt/privaten Arbeitsvermittlern/Zeitarbeitsfirmen mit Datum, Ansprechpartner, Inhalt des Gesprächs,
  • Dokumentation der Arbeitssuche im Internet durch Ausdruck der entsprechenden Recherche,
  • sonstige Bewerbungsbemühungen,
  • nachgehen von Hinweisen des Ehegatten auf freie Stellen,
  • Teilnahme an Sprachkursen zur Verbesserung der Vermittelbarkeit.

Die gesteigerte Unterhaltspflicht führt dazu, dass die Betreuung von Geschwisterkindern die Erwerbstätigkeit nicht unzumutbar macht.[5] Einen Einkommensrückgang in Folge von Altersteilzeit muss das Kind nur hinnehmen, wenn es dafür überwiegende sachliche Gründe gibt.[6]

[2] BGH, Versäumnisurteil v. 30.7.2008, XII ZR 126/06.
[3] OLG Hamm, Beschluss v. 23.12.2015, II-2 UF 213/15.
[4] nach Büte, FK 2015, 31.
[5] Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss v. 19.7.2004, 4 WF 68/04.

4.4.2.2 Nebentätigkeitsverpflichtung

Selbst wenn der Unterhaltspflichtige einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit nachgeht, kann eine Obliegenheit zur Aufnahme einer darüberhinausgehenden Nebentätigkeit bestehen, soweit der Mindestunterhalt ohne dieses zusätzliche Einkommen nicht geleistet werden kann. Allerdings sind im Rahmen der Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit trotz der gesteigerten Unterhaltspflicht Grenzen zu berücksichtigen, die sich insbesondere aus den Vorschriften des Arbeitsschutzes und den Umständen des Einzelfalls ergeben.[1] Die Anforderungen dürfen nicht dazu führen, dass eine Tätigkeit trotz der Funktion des Mindestunterhalts, das Existenzminimum des Kindes zu sichern, unzumutbar erscheint. Der BGH[2] führt hierzu aus:

BGH, Urteil v. 3.12.2008, XII ZR 182/06

Zitat

Im Rahmen der Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit sind zunächst die objektiven Grenzen einer Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung des Umfangs der schon ausgeübten Vollzeittätigkeit zu berücksichtigen. Übt der Unterhaltspflichtige eine Berufstätigkeit aus, die 40 Stunden wöchentlich unterschreitet, kann grundsätzlich eine Nebentätigkeit von ihm verlangt werden. Denn wegen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 16...

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