Normenkette

StVO § 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.10.2001; Aktenzeichen 24 O 130/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin, die i.Ü. zurückgewiesen wird, wird das am 22.10.2001 verkündete Urteil des LG Berlin – 24 O 130/01 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.030,78 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 17.11.2000 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die auf eine weiter gehende Verurteilung der Beklagten gerichtete Berufung der Klägerin ist teilweise erfolgreich, die Anschlussberufung ist erfolglos.

A. Die Berufung der Klägerin ist teilweise erfolgreich. Der Unfallhergang, den das LG in zutreffender Weise durch Beweisaufnahme festgestellt hat, rechtfertigt nach seinen besonderen Umständen eine Haftung beider Parteien für die Schäden aus der Kollision vom 19.7.2000 auf dem A.-Platz zwischen dem Mercedes der Klägerin und dem Mazda des Beklagten zu 2) nach einer Quote von je 1/2; dies ergibt einen Betrag i.H.v. 3.030,78 Euro (5.927,68 DM) nebst anteiligen Zinsen. Entsprechend war das angefochtene Urteil, das der Klägerin nur Schadensersatz nach einer Quote von 1/3 zuerkannt hat, zu ihren Gunsten abzuändern.

I. Beruht ein Unfall für keinen der Beteiligten auf einem unabwendbaren Ereignis i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG, bestimmt sich die Haftung nach den Verursachungs- und Verschuldensanteilen der Beteiligten, §§ 17, 18, 9 StVG i.V.m. §§ 823, 254 BGB. Bei der Bildung der Haftungsquote werden allerdings nur bewiesene Umstände berücksichtigt, die sich tatsächlich unfallursächlich ausgewirkt haben.

II. Diese Abwägung führt zu einer Haftung der Beklagten für die Unfallschäden nach einer Quote von 1/2.

1. Entgegen der Auffassung des LG im angefochtenen Urteil ist es angesichts der örtlichen Verhältnisse auf dem A.-Platz nicht gerechtfertigt, die Rspr. des Senats zu so genannten Kreuzungsräumer-Fällen und die darin entwickelte regelmäßige Haftungsquote von 1/3 zu Lasten des Kreuzungsräumers unmittelbar heranzuziehen. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des LG im Urteil aus dem Rechtsstreit umgekehrten Rubrums vom 15.1.2003 (58 S 322/02).

a) Die „Kreuzungsräumer”-Rspr. beruht auf einer Abwägung der unfallursächlichen Verschuldens- und Verursachungsanteile eines bei grünem Ampellicht in eine Kreuzung einfahrenden Fahrers gegen diejenigen eines die Kreuzung verlassenden Fahrers (sog. Kreuzungsräumer) im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG. Grundsätzlich führt dies zu einer Haftungsquote von 2/3 zu Lasten des einfahrenden Fahrzeuges und von 1/3 zu Lasten des Kreuzungsräumers, denn dem Nachzügler kommt trotz Freigabe der Einfahrt in die Kreuzung durch grünes Ampellicht (§ 37 StVO) im Interesse eines fließenden Verkehrs nach § 11 Abs. 1 StVO der Vorrang zu – der Einfahrende muss warten, bis die Kreuzung geräumt ist. Ein Verstoß gegen diese Pflicht wiegt haftungsrechtlich doppelt so schwer wie die vom Nachzügler ausgehende Gefahr (vgl. BGH NJW 1977, 1394, st. Rspr. des KG, vgl. etwa VerkMitt 1993, Nr. 50, auch zum sog. „fliegenden Start”; zuletzt zu dieser Haftungsquote KG, Urt. v. 21.1.2002 – 12 U 4688/00). Je nach Besonderheiten des Einzelfalls, vor allem unter Berücksichtigung unfallursächlich schuldhaften Verhaltens der Beteiligten, kommen allerdings Abweichungen von der genannten Haftungsverteilung in Betracht. Insbesondere erhöhen sich die Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Kreuzungsräumers mit seiner Verweildauer im Kreuzungsbereich: Je länger er sich nach seiner Einfahrt bei grünem Ampellicht im Kreuzungsbereich aufhält, desto eher muss er damit rechnen und sich durch aufmerksame Fahrweise darauf einstellen, dass nunmehr Fahrzeuge in der anderen Fahrtrichtung ein grünes Ampelsignal erhalten und in die Kreuzung einfahren (vgl. auch den Hinweis in KG KGReport Berlin 2003, 140 [141] unter Bezug auf das OLG Köln, die Kreuzungsräumer-Rspr. sei bei Kreuzungsgestaltungen nicht anwendbar, die einer Überquerung zweier Kreuzungen nacheinander gleichkäme).

b) Der Unfallhergang am 19.7.2000 auf dem A.-Platz rechtfertigt eine Beschränkung der Haftung der Beklagten auf 1/3 des Unfallschadens wie bei einem typischen Kreuzungsräumer nicht.

Zwar ist unstr., dass die Fahrzeuge kollidiert sind, als die Zeugin A.S. mit dem Mercedes der Klägerin bei grünem Ampellicht in den A.-Platz eingefahren ist, während der Beklagte zu 1) mit dem Mazda diesen Platz in Richtung At.-Straße verlassen wollte. Allerdings ist der Beklagte zu 1) aus der A.-Straße in den Al.-Platz eingefahren und hat anschließend auf seinem Weg bis zur Kollisionsstelle die Einmündungen sowohl der F.-K.-Straße als auch der M.-Straße in den A.-Platz gekreuzt (beide nur ampelgeregelt für in den Kreis einfahrende Fahrzeuge). Nach eigener Darstellung musste er den Mazda vor der Einmündung der M.-Straße bis zum Stillstand abbremsen,...

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