Normenkette

StVO § 38 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 638/00)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 20.3.2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin – 24 O 638/00 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung ist ohne Erfolg. Zu Recht hat das LG ein Alleinverschulden des Polizeibeamten S. am Zusammenstoß mit dem von der Schwester des Klägers, T.O., gesteuerten Mercedes auf der Kreuzung W./B.-Straße am 4.7.2000 festgestellt und ist zu einer Alleinhaftung des Beklagten für die Unfallschäden gelangt. Die Einwendungen des Beklagten im zweiten Rechtszug führen nicht zu einer anderen Beurteilung.

A. Stellt ein Unfall für keinen der Beteiligten ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG dar, bestimmt sich die Haftung nach den beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteilen, §§ 17, 18, 9 StVG i.V.m. §§ 823, 254 BGB. Hierbei werden allerdings nur bewiesene Umstände berücksichtigt, die sich unfallursächlich ausgewirkt haben.

Das gilt auch, wenn das Land Berlin im Wege der Amtshaftung nach §§ 823 Abs. 1, 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG, § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 PflVersG für Schäden in Anspruch genommen wird, die ein Amtsträger in Ausübung seines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes einem Dritten zugefügt hat (vgl. KG, Urt. v. 8.6.2001 – 12 U 7095/99, KGReport 2001, 123).

B. Nach den Verursachungs- und Verschuldensanteilen bleibt es im vorliegenden Fall bei einer Alleinhaftung des Beklagten.

I. Der Unfall war für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG a.F., so dass eine Ersatzpflicht einer Prozesspartei nicht von vornherein ausgeschlossen ist.

Unabwendbar mit der Folge eines Haftungsausschlusses nach § 7 Abs. 2 StVG ist ein unfallursächliches Ereignis, wenn es durch äußerste Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus, also die Berücksichtigung aller möglichen Gefahrenmomente (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. 2001, § 7 StVG, Rz. 30 m.w.N.).

Die Einhaltung einer derartigen Sorgfalt des „Idealkraftfahrers” bei der Einfahrt in die Kreuzung B./W.-Straße durch die jeweiligen Fahrzeugführer hat keine der Parteien dargelegt.

II. Der Beklagte haftet für die Unfallschäden der Klägerin, weil der Fahrer seines Polizeimotorrades, K.S., mit dem PKW des Beklagten unter Verletzung von dessen Vorfahrt zusammengestoßen ist.

1. Ein Wegerecht nach § 38 Abs. 1 StVO, das die Klägerfahrerin T.O. verpflichtet hätte, ihm freie Bahn zu schaffen und dadurch Vorfahrt zu gewähren, stand dem Motorradfahrer K.S. nicht zu, denn ein solches Recht setzt den Einsatz des blauen Blinklichts zusammen mit dem Einsatzhorn voraus: Unstreitig war das Motorrad jedoch nur mit Blaulicht unterwegs.

2. Der Polizeibeamte S. war auch nicht durch besonderes Signal des Polizeibeamten R. zur Vorfahrt ggü. dem Klägerfahrzeug berechtigt.

Wie der Beklagte selbst zutreffend ausgeführt hat, bedeutet nach § 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StVO bei der Verkehrsregelung auf Kreuzungen durch Polizisten das Hochheben eines Armes für die heranfahrenden Verkehrsteilnehmer „vor der Kreuzung warten”. An ein solches Zeichen hätte sich mangels Sonderrechten auch der Polizeibeamte S. auf dem Motorrad halten müssen und hätte nicht einfahren dürfen. Ein besonderes Zeichen des Polizeibeamten R. an seinen Kollegen S. nach § 36 Abs. 3 StVO, das diesen zur Einfahrt in die Kreuzung berechtigt hätte, hat der Beklagte nicht behauptet; es hat auch kein Zeuge bekundet. Gleichwohl ist das Motorrad in die Kreuzung eingefahren und dort mit dem Klägerfahrzeug zusammengestoßen.

II. Erfolglos bleibt der Beklagte mit seiner Behauptung, die Klägerfahrerin sei sorgfaltswidrig in die Kreuzung eingefahren, obwohl eine unklare Verkehrslage bestanden habe, so dass der Kläger sich ein Mitverschulden anrechnen lassen müsse.

1. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass die Klägerfahrerin T.O. trotz Wartezeichens des Polizeibeamten R. in die Kreuzung eingefahren ist und so den Unfall mitverschuldet hat.

Der dafür beweisbelastete Beklagte hat nicht bewiesen, dass das Handzeichen des Zeugen R. für die Zeugin O. als Anordnung i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 2 StVO zu verstehen war. Die Zeugin O. selbst hat zwar eingeräumt, ein Motorrad mit Blaulicht auf der Gegenfahrbahn der B.-Straße wahrgenommen zu haben. Signale habe er aber nicht gegeben (Bl. 38 d.A.) Der Zeuge R. hat erklärt, er sei auf seinem Motorrad mit erhobenem rechten Arm in die Kreuzung eingefahren, um den gesamten Verkehr zu sperren (Bl. 43 d.A.). Damit hat er gleichzeitig den Verkehr geregelt und an ihm teilgenommen. Unsicher ist danach, ob die Zeugin O. überhaupt zeitlich Gelegenheit hatte, das Signal des über die Kreuzung fahrenden Polizeibeamten wahrzunehmen; darüber hinaus ist ein solches – sozusagen nebenher im Fahren abgegebenes – Signal nicht eindeutig als Maßnahme der Verkehrsregelung ggü. allen anderen Verkehrsteilnehme...

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