Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 02.06.1997; Aktenzeichen 5 O 404/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. Juni 1997 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 5 O 404/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 60.000,00 DM nicht.

 

Gründe

In dem vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der Beklagten Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für künftig entstehende materielle Schäden mit der Begründung, die Beklagte sei am 18. Dezember 1995 der ihr obliegenden Pflicht zur Bekämpfung von Eisglätte auf dem Gehweg vor dem Grundstück Westendallee … nicht nachgekommen, weshalb die Klägerin gestürzt sei und sich erheblich verletzt habe. Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 511, 511 a, 516, 518, 519 ZPO), in der Sache jedoch nicht begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche zu (§§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2, 847 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 Straßenreinigungsgesetz Berlin), denn die Beklagte hat die von ihr durch Vertrag gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Straßenreinigungsgesetz Berlin übernommene Verkehrssicherungspflicht für den hier in Rede stehenden Gehwegteil am Unfalltage schuldhaft verletzt. Sie hat gegen die ihr gemäß § 3 Abs. 1 Straßenreinigungsgesetz Berlin obliegende Pflicht verstoßen, Eisglätte unverzüglich nach dem Entstehen zu bekämpfen.

Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden (§ 543 Abs. 1 ZPO). Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist noch folgendes auszuführen:

Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass an jenem Tage im ganzen Stadtgebiet bis in die Mittagsstunden hinein gefrierender Sprühregen gefallen sei, so führt dieser Umstand als solcher nicht von vornherein dazu, dass eine Pflicht der Beklagten zur Glättebekämpfung zeitlich erst nach Ende des Sprühregens entstanden wäre. Dies spräche gegen Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 Straßenreinigungsgesetz Berlin, wonach Schnee unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls zu beseitigen ist, während Glätte bereits unverzüglich nach ihrem Entstehen bekämpft werden muß. Mit der Glättebekämpfung darf also grundsätzlich nicht bis zur Beendigung von Niederschlägen abgewartet werden. Diese Unterscheidung ist auch sinnvoll, denn die Beseitigung von Schnee ist während des Schneefalls nicht dauerhaft zu gewährleisten, während eine Glättebekämpfung auch bei Niederschlägen – zumindest zeitweise – sinnvoll und im Hinblick auf die ungleich höhere Gefährlichkeit von Glättebildung auch geboten sein kann. Die Beklagte durfte mithin allein wegen des andauernden Sprühregens nicht mit der Glättebekämpfung zuwarten.

Die Beklagte vermag sich auch nicht mit dem Hinweis zu entlasten, im Hinblick auf den andauernden gefrierenden Sprühregen seien Streumaßnahmen sinn- und zwecklos gewesen. Steht eine Glättebildung fest, hat grundsätzlich der Streupflichtige darzulegen und ggf. zu beweisen, dass Umstände vorlagen, die ein Streuen zwecklos gemacht haben (vgl. BGH NJW 1993, 2802 (2803); NJW 1985, 484 (485)). Dabei richten sich Maß und Umfang der Streupflicht nach den Bedürfnissen des Verkehrs. Dem Streupflichtigen sollen nicht zwecklose Maßnahmen angesonnen werden (BGH NJW 1993, 2802 (2803); VersR 1964, 910 (911); OLG Hamm VersR 1982, 1081). Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ergibt sich damit nicht schon aus einer zeitweisen Verkehrsunsicherheit der zu bestreuenden Fläche, sondern erst aus der Unterlassung der „gebotenen und zumutbaren” Maßnahmen zur Feststellung und Beseitigung der Glätte (OLG Hamm VersR 1984, 645). An die Darlegung und den Beweis einer Zwecklosigkeit von Streumaßnahmen sind aber strenge Anforderungen zu stellen, denn außergewöhnliche Glätteverhältnisse bedeuten nicht regelmäßig, dass der Streupflichtige von der Streupflicht befreit wäre. Vielmehr erfordern gerade solche Verhältnisse besonders intensive Streumaßnahmen, so dass der Streupflichtige im Einzelfall auch verpflichtet sein kann, wiederholt Streumaßnahmen zu ergreifen, wenn das Streugut die Gefahr des Ausgleitens wenigstens vermindert und diese Wirkung für einen gewissen, nicht völlig unerheblichen Zeitraum andauert (BGH NJW 1993, 2802 (2803)). Voraussetzung ist, dass die Witterungsverhältnisse so ungewöhnlich sind, dass auch wiederholtes Streuen sinn- und zwecklos ist (BGH NJW 1985, 482 (483)).

Derartige Witterungsverhältnisse hat die Beklagte jedoch nicht substantiiert dargetan. Sie irrt, wenn sie meint, sich allein auf das Gutachten des Deutschen Wetterdienstes und die dort festgestellten Witterungsverhältnisse stützen zu können, so dass es auf die von ihr bestrittene Behauptung der Klägerin nicht ankommt, dass am Unfallort in dem in Rede stehenden Zeitraum kein Sprühregen gefallen sein solle. Allein mit dem Hinweis auf jenes Gutachten genügt die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht. Nach der neueren Rechtsprechung des Bund...

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