Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 13.11.2019; Aktenzeichen 200 F 7404/19)

 

Tenor

Die Sache wird zur Durchführung der mündlichen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Pankow/Weißensee zurückgegeben.

 

Gründe

I. Gegenstand des hiesigen Verfahrens ist eine einstweilige Anordnung, durch die der Mutter ein Teilbereich der elterlichen Sorge für ihren Sohn L ... entzogen worden ist.

Die Beteiligten sind Eltern des am ... geborenen Kindes L .... L ... und seine Halbschwester P ... (geboren am ...) lebten bislang bei der sie allein betreuenden Mutter.

Aufgrund einer Anzeige des Jugendamtes vom 17.09.2019 (Bl. 1 ff. der BA) beraumte das Amtsgericht in der Hauptsache zum Aktenzeichen 200 F 6553/19 einen Anhörungstermin auf den 06.11.2019 an. Zu diesem Termin wurde die Mutter laut Zustellungsurkunde (Bl. 20 BA) am 08.10.2019 geladen. Am 28.10.2019 teilte das Jugendamt dem Gericht mit, dass die Mutter der beiden Kinder in der Nacht vom 20. zum 21.10.2019 ins Krankenhaus gekommen sei, da sie nicht mehr ansprechbar gewesen sei (Bl. 30 der BA zu 200 F 6552/19). Aus der Sachstandsmitteilung des Verfahrensbeistands der Kinder zum Hauptverfahren vom 04.11.2019 (Bl. 24 ff. der BA) geht hervor, dass L ... ihm erzählt habe, dass seine Mutter derzeit, nachdem sie eines Abends nicht mehr ansprechbar gewesen sei, länger im Krankenhaus wegen einer psychischen Krankheit behandelt werde. Zuvor habe sie sich seit dem Tod ihrer eigenen Mutter vor ca. einem Monat immer mehr zurückgezogen, weswegen er zum Einkaufen, zur Bank und zu P ... Schule gegangen sei.

In dem Anhörungstermin am 06.11.2019, zu dem die Mutter nicht erschienen ist, wurde zur Hauptsache in beiden Verfahren (200 F 6552/19 und 200 F 6553/19) und dem hiesigen einstweiligen Anordnungsverfahren verhandelt (Bl. 22 der BA).

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 13.11.2019 (Bl. 2 ff,) im Wege einer einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind sowie das Recht, für das Kind schulische Angelegenheiten und Gesundheitsangelegenheiten zu regeln und Hilfen zur Erziehung zu beantragen, auf den Vater allein übertragen. Das Amtsgericht begründete seinen Beschluss damit, dass die Übertragung der genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge an den Vater notwendig gewesen sei, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden, da die Mutter seit dem 20.10.2019 in stationärer Behandlung im Krankenhaus und nicht in der Lage sei, sich um die Kinder zu kümmern.

Der Beschluss ist der Mutter am 16.11.2019 zugestellt worden (Bl. 6). Hiergegen hat sie mit Schreiben vom 02.01.2020 (Bl. 11 f.), welches am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangen ist, "Widerspruch" eingelegt. Sie hat darin ferner um eine neue Anhörung mit beiden Kindern und Vätern gebeten.

II. Die Sache ist zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung an das Amtsgericht zurückzugeben, weil keine Beschwerde nach den §§ 58 ff. FamFG vorliegt.

Der als "Widerspruch" bezeichnete Rechtsbehelf der Mutter ist vielmehr als ein Antrag auf Neuentscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG zu verstehen (vgl. hierzu OLG Celle, Beschluss vom 02.11.2012 - 10 UF 269/12 -, Rn. 10, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.02.2013 - 5 UF 55/13 -, Rn. 5, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 07.12.2016 - 11 UF 626/16 - Rn. 3, juris; Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 1. Auflage 2015, § 54 FamFG, Rn. 11; Borth/Grindel in Musielak/Borth, 6. Auflage 2018, § 57 FamFG, Rn. 9; Löhnig/Heiß in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. Auflage 2018, § 54 FamFG, Rn. 18). Eine Beschwerde gemäß § 57 Satz 2 Nr. 1 FamFG ist nämlich nicht statthaft, weil eine mündliche Erörterung bislang nicht stattgefunden hat (vgl. die vorzitierten Entscheidungen; ebenso: OLG Bamberg, Beschluss vom 01.07.2019 - 2 WF 140/19 -; OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.09.2013 - 9 UF 135/13 -; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.08.2012 - 5 UF 221/12 -; OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.04.2011 - 3 UF 25/11 -; Zöller/Feskorn, ZPO, 33. Auflage 2020, § 57, Rn. 4; Heilmann, a.a.O.; Löhnig/Heiß, a.a.O., Rn. 16). Hiernach war der Antrag der Mutter auch nicht innerhalb der Beschwerdefrist von zwei Wochen gemäß § 63 Abs. 2 FamFG einzulegen (Bumiller in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Auflage 2019, § 54 FamFG, Rn. 4).

Der angefochtene Beschluss vom 13.11.2020 ist nicht aufgrund mündlicher Verhandlung im Sinne der §§ 57 Satz 2, 54 Abs. 2 FamFG ergangen. Eine auf Grund mündlicher Erörterung beruhende Entscheidung setzt zwar nicht voraus, dass alle Beteiligten tatsächlich zugegen sind. Erscheint ein Beteiligter trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht, liegt deshalb gleichwohl eine mündliche Erörterung vor (vgl. nur OLG Frankfurt, Beschluss v. 28.2.2013, 5 UF 55/13, Rn. 7). Eine mündliche Erörterung im Rechtssinne setzt jedoch zwingend voraus, dass den Beteiligten eine effektive Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben wird. Die Beteiligten müssen eine tatsächliche Möglichkeit zur Teilnahme am oder Vertretung im Termin und zu...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge