Leitsatz (amtlich)

1. In den Antragsverfahren des § 1671 Abs. 1 BGB darf ein Gericht nicht von Amts wegen tätig werden, auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Antragstellung eines Elternteils verbietet sich hier.

2. Eine einstweilige Anordnung darf nicht (mehr) erlassen werden, wenn die Hauptsache ohne weiteres entscheidungsreif ist.

 

Verfahrensgang

AG Bad Liebenwerda (Beschluss vom 24.07.2013; Aktenzeichen 21 F 142/13)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG Bad Liebenwerda vom 24.7.2013 - Az.: 21 F 142/13 - zu Ziff. II (Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. und J. G.) aufgehoben.

Der Kindesmutter wird auf ihren Antrag vom 5.8.2013 im Weg der einstweiligen Anordnung vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder S. G., geboren am 18.10.2009, und J. G., geboren am 21.9.2006, übertragen.

II. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Eine

Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

VI. Der Kindesmutter wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin K in T bewilligt.

Dem Kindesvater wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung der Kanzlei S und von Rechtsanwalt B als Verkehrsanwalt bewilligt.

 

Gründe

I. Die getrennt lebenden gemeinsam sorgeberechtigten Kindeseltern haben auf Antrag des Kindesvaters, dem die Kindesmutter mit einem Gegenantrag begegnet ist, um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihre vier Kinder DJ G., geboren am 5.9.2003, V G., geboren am 24.3.2005 sowie die hier betroffenen J. G. und S. G. gestritten. Die Kindesmutter hat inzwischen ein weiteres Kind entbunden, das von ihrem jetzigen Lebensgefährten abstammt.

Die vier gemeinschaftlichen Kinder lebten seit der Trennung der Eltern im April 2012 im Haushalt der Kindesmutter in M. Der Vater zog zurück nach G, wo die Familie zuvor gewohnt hatte und wo weiterhin Verwandte des Vaters leben.

In dem Hauptsacheverfahren betreffend das Aufenthaltsbestimmungsrecht (AG Bad Liebenwerda, Az.: 21 F 91/12) hat das AG ein psychologisches Sachverständigen-Gutachten eingeholt und am 9.7.2013 die Kinder angehört. Dabei ergab sich, dass die Einschulung J. s unmittelbar bevorstand. Am 10.7.2013 fand ein umfassender Anhörungstermin statt, in dem die Eltern, der Verfahrensbeistand und das Jugendamt angehört wurden und in dem die Sachverständige ihr Gutachten mündlich erläutert hat. In diesem Termin vereinbarten die Eltern, dass DJ ihren Lebensmittelpunkt künftig bei der Mutter haben soll und erklärten insoweit das Verfahren für erledigt. Im Hinblick auf die weiteren drei Kinder sprachen sich sowohl das Jugendamt als auch die Kindeseltern gegen eine Geschwistertrennung aus. Der Verfahrensbeistand, der mit Bericht vom 24.9.2012 empfohlen hatte, dass die Kinder V und J. ihren Lebensmittelpunkt beim Vater haben sollten, hat am 10.7.2013 keine klare Stellungnahme abgegeben, jedoch gemeint, beide Eltern seien mit der Betreuung von lediglich zwei Kindern nicht in der Gefahr der Überforderung. Die Sachverständige empfahl, J. und S. zum Vater wechseln zu lassen.

Im Anschluss an den Termin erließ das AG von Amts wegen einen Beschluss, in dem angekündigt wurde, es sei der Erlass einer einstweiligen Anordnung beabsichtigt, und zwar solle der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für V und dem Kindesvater das Aufenthaltsbestimmungsrecht für J. und S. übertragen werden. Das ermögliche die Überprüfung der Empfehlungen der Sachverständigen nach einer gewissen Zeit.

Dem haben das Jugendamt und die Kindesmutter unter Hinweis auf das Kindeswohl widersprochen. Der Kindesvater hat den Hinweis "zur Kenntnis genommen".

Mit Beschluss vom 24.7.2013 hat das AG - wie angekündigt - im Weg einstweiliger Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für V. auf die Kindesmutter und für J. und S. auf den Kindesvater übertragen. In der Folge sind J. und S. zum Vater gewechselt. J. ist in G zu Beginn des Monats September 2013 eingeschult worden.

Die Mutter hat gegen den am 25.7.2013 zugestellten Beschluss mit am 5.8.2013 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung verbunden. Der Vater ist dem entgegengetreten.

Die Beteiligten sind schriftlich angehört worden. Das Jugendamt hat sich dem Antrag der Mutter angeschlossen, der Verfahrensbeistand hat innerhalb der antragsgemäß verlängerten Frist nicht Stellung genommen

II. Die Beschwerde gegen die einstweilige Anordnung ist gem. § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG zulässig. Dies setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung "aufgrund mündlicher Erörterung" ergangen ist. Das ist hier der Fall, obwohl die mündliche Erörterung, d.h. die persönliche Anhörung der betroffenen Kinder und der übrigen Beteiligten formell in einem anderen Verfahren, nämlich dem Hauptsacheverfahren zum Az. 21 F 91/12 erfolgt ist. Der Erlass der einstweiligen Anordnung beruht jedoch auf der ausführlichen Anhörun...

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