Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendigkeit einer tatsächlichen Möglichkeit zur Teilnahme am Termin bei der mündlichen Erörterung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Verwirklichung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör müssen die Beteiligten eine tatsächliche Möglichkeit zur Teilnahme am oder Vertretung im Termin haben. Dies ist offenkundig nicht der Fall, wenn sie nicht rechtzeitig und verfahrensordnungsgemäß von dem Termin und dessen Gegenstand unterrichtet werden. An einer ausreichenden Möglichkeit der Wahrnehmung rechtlichen Gehörs fehlt es, wenn ein Beteiligter, etwa wegen krankheitsbedingter Gründe, gem. § 32 Abs. 1 FamFG, § 227 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO um eine Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung nachsucht und das Gericht den Termin, ohne dass es sich mit dem Terminsverlegungsantrag hinreichend auseinandersetzt, gleichwohl durchführt.

 

Normenkette

FamFG § 54 Abs. 2; ZPO § 227 Abs. 1 S. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Offenbach (Beschluss vom 21.01.2013; Aktenzeichen 309 F 1052/12)

 

Tenor

Auf die als "Beschwerde" bezeichnete Eingabe des Antragstellers wird die Vorlageverfügung des AG vom 21.1.2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur Durchführung einer mündlichen Erörterung und Neuentscheidung über die einstweilige Anordnung und die Kosten des Verfahrens an das AG zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Das AG hat auf den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer Schutzanordnung nach § 1 GewSchG im Wege der einstweiligen Anordnung am 11.9.2012 Termin zur mündlichen Verhandlung für den 10.10.2012, 10 Uhr anberaumt.

Mit Schreiben vom 13.9.2012 bat der Antragsteller unter Hinweis auf seine Diabeteserkrankung und die dadurch bedingten gesundheitlichen Einschränkungen darum, erst ab der Mittagszeit Gerichtstermine anzuberaumen. Über eine Verlegung des Termins hat das AG in der Folge nicht entschieden.

Am 9.10.2012 meldete sich der Antragsteller telefonisch auf der Geschäftsstelle des AG und erkundigte sich, warum der Termin am 10.10.2012 nicht verlegt worden sei. Außerdem teilte er mit, dass er erkrankt sei. Die Geschäftsstellenbeamtin verwies ihn darauf, dass er ein ärztliches Attest zur Frage der Verhandlungsfähigkeit benötige. Eine richterliche Entscheidung über die Verlegung des Termins erging nicht. In der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2012 erschien lediglich der Antragsgegner und dieser wurde persönlich angehört. Noch am 10.10.2012 erging in der Sache ein Beschluss, mit dem der Antrag des Antragstellers zurückgewiesen wurde. Im Anschluss an die Sitzung reichte der Antragsteller diverse ärztliche Atteste beim AG ein, die seine Verhandlungsunfähigkeit generell vor der Mittagszeit und auch vollumfänglich seit 9.10.2012 bescheinigen. Gegen den Beschluss des AG vom 10.10.2012 richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er rügt u.a. eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

II. Die Sache ist unter Aufhebung der Vorlageverfügung zur Neuentscheidung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung an das AG zurückzuverweisen.

Der als "Beschwerde " bezeichnete Behelf ist zutreffender Weise als ein Antrag auf Neuentscheidung nach mündlicher Verhandlung gem. § 54 Abs. 2 FamFG zu verstehen. Die Beschwerde ist nämlich gem. § 57 S. 2 FamFG nicht statthaft, weil eine mündliche Erörterung bisher nicht stattgefunden hat, und wäre insoweit als unzulässig zu verwerfen.

Zwar setzt eine mündliche Erörterung i.S.d. §§, 57 S. 2, 32 Abs. 1 FamFG nicht zwingend voraus, dass beide Beteiligte oder deren Bevollmächtigte im Termin tatsächlich erschienen sind. Zweck eines Termins zur mündlichen Erörterung im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens ist vor allem die Aufklärung des Sachverhalts (§ 26 FamFG) und in Ausprägung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs. 1 GG, § 37 Abs. 2 FamFG) die Gelegenheit für die Beteiligten, ihre Position dem Gericht mündlich zu vermitteln (OLG Celle FamFR 2012, 566.) sowie Gelegenheit zur gütlichen Einigung zu geben (vgl. Keidel/Giers, FamFG § 57 Rz. 5). Insofern setzt eine i.S.d. § 57 Satz 2 FamFG auf mündlicher Erörterung beruhende Entscheidung - auch nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen - zwingend voraus, dass dem Antragsgegner eine effektive Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben worden ist.

Dies erfordert wiederum zwar nicht, dass ein Beteiligter in einem vom Familiengericht anberaumten Termin tatsächlich zugegen ist. Erscheint ein Beteiligter, der ordnungsgemäß zu dem Termin geladen wurde, unentschuldigt nicht, so liegt gleichwohl eine mündliche Erörterung in diesem Sinne vor (OLG Frankfurt, Beschl. v. 16.8.2012 - 5 UF 221/12 - hefam. de; OLG München FamRB 2004, 395). Die Beteiligten - namentlich auch dem Antragsgegner - müssen jedoch eine tatsächliche Möglichkeit zur Teilnahme am oder Vertretung im Termin und zur Verwirklichung ihres Anspruches auf rechtliches Gehör haben. Dies ist offenkundig nicht der Fall, wenn sie nicht rechtzeitig und verfahrensordnungsgemäß von dem Termin und dessen Gegenstand unterrichtet werden (OLG Frankfurt, Beschl. v. 29.1.2013 - 5 UF 416/12). An einer ausreichenden Mögl...

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