Leitsatz (amtlich)

1. Die Annahme des Tatgerichts einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung bei einer über 40% Überschreitung der zulässigen innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit ist nicht zu beanstanden.

2. Der Zeitraum zwischen dem angefochtenen Urteil und der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts bleibt bei der Prüfung, ob wegen Zeitablaufs von dem Verhängen eines Regelfahrverbotes abzusehen ist, grundsätzlich unberücksichtigt (im Anschluss an den Beschluss des Senates vom 2. September 2009 - 3 ARs 11/09). Maßgeblich ist die verstrichene Zeit zwischen Tatbegehung und dem erstinstanzlichen Urteil.

 

Normenkette

StVG § 25

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 22.10.2014; Aktenzeichen (304 OWi) 3023 Js-OWi 2232/13 (307/13))

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 22. Oktober 2014 wird nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Absatz 2 StPO verworfen.

Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat gegen die Betroffene wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften - Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 34 km/h - eine Geldbuße in Höhe von 160,00 € festgesetzt und ihr für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, sowie eine Bestimmung über das Wirksamwerden des Fahrverbots getroffen. Den Schuldspruch hat das Amtsgericht auf §§ 41 Abs. 2 [richtig: 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2 zu § 41 Abs. 1, lfd. Nr. 49, Zeichen 274, Spalte 3], 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, 24 [zu ergänzen: Abs. 1] StVG gestützt. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, hat keinen Erfolg.

II.

1. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils ist ohne Rechtsfehler. Die Feststellungen des Urteils tragen die Verurteilung der Betroffenen wegen einer vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 34 km/h.

a) Bei dem für die Geschwindigkeitsmessung verwendeten ProViDa-Messverfahren (auch Police-Pilot-System genannt) handelt es sich um ein anerkanntes, zuverlässiges, massenhaft praktiziertes, elektronisches Präzisionssystem zur Weg-Zeit-Messung (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Juni 2011 - 3 Ws (B) 309/11). Es ist ein allgemein anerkanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHSt 39, 291). In der Regel genügt es, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf die Mitteilung des Messverfahrens und der nach Abzug der Messtoleranz ermittelten Geschwindigkeit stützt (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Februar 2014 - 3 Ws (B) 67/14 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 26. April 2013 - 2 Ss OWi 349/13 -, juris Rn. 18). Dem Urteil des Amtsgerichts lässt sich die Mitteilung des Messverfahrens und die ermittelte Geschwindigkeit von 114 km/h entnehmen. Aus ihm geht auch hervor, dass der Sachverständige, auf dessen Auswertung zur Geschwindigkeit sich das Amtsgericht stützt, bei seiner Berechnung einen Toleranzabzug vorgenommen hat.

b) Das Ergebnis der Messung unterliegt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keinem Beweisverwertungsverbot. Die von ihr herangezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. August 2009 (NJW 2009, 3293) bezieht sich nicht auf verdachtsabhängige Videoaufzeichnungen, die ihre Rechtsgrundlage in §§ 46 Abs. 1 OWiG, 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 StPO haben (vgl. OLG Bamberg NJW 2010, 100; Senat, Beschluss vom 18. März 2010 - 3 Ws (B) 24/10 -). Anhaltspunkte für die Annahme, in vorliegendem Fall hätten die eingesetzten Polizeibeamten eine Geschwindigkeitsmessung ohne konkreten Tatverdacht gegen die Betroffene vorgenommen, ergeben sich aus dem Urteil des Amtsgerichts nicht. Dort wird vielmehr die Aussage eines an der Messung beteiligten Polizeibeamten mitgeteilt, wonach ihm das Fahrzeug der Betroffenen in der linken Fahrspur fahrend aufgefallen sei, weil es offensichtlich zu schnell gefahren sei und sich von dem Polizeifahrzeug sichtbar entfernt habe.

c) Die Annahme des Amtsgerichts, die Betroffene habe die Geschwindigkeitsüberschreitung vorsätzlich begangen, ist nicht zu beanstanden. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung handelt vorsätzlich, wer die Geschwindigkeitsbeschränkung kannte und bewusst dagegen verstoßen hat (OLG Bamberg, Beschluss vom 26. April 2013 - 2 Ss OWi 349/13 -, Rn. 20, juris). Der Grad der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit kann ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln sein, wobei es auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit ankommt (Senat, Beschluss vom 21. Juni 2004 - 3 Ws (B) 186/04 -, NZV 2004, 598). Die Betroffene kannte hier die zulässige Höchstgeschwindigkeit, weil sie durch das entsprechende Verkehrszeichen ausgewiesen war. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von...

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