Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 25.02.2009; Aktenzeichen (518) 1 Kap Js 986/08 KLs (45/08) -)

 

Tenor

Die Beschwerde der Bezirksrevisorin beim Landgericht Berlin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 25. Februar 2009 wird verworfen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Rechtsanwalt D. wurde dem inzwischen rechtskräftig Verurteilten Re., der unter anderem wegen versuchten Mordes vor einer Jugendkammer des Landgerichts Berlin angeklagt war, zum Pflichtverteidiger bestellt. Da Rechtsanwalt D. am Vormittag des 2. Hauptverhandlungstages verhindert war, erschien für den Angeklagten Rechtsanwalt R., den der Vorsitzende "für die Dauer der Verhinderung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt D." zum Verteidiger mit der Maßgabe bestellte, "dass keine weitere Gebühr entsteht". Rechtsanwalt R. nahm an der Hauptverhandlung von 9.00 Uhr bis zum Eintritt der Mittagspause um 10.56 Uhr teil, danach war von 12.36 Uhr bis 17.10 Uhr für den Angeklagten Rechtsanwalt D. anwesend.

Rechtsanwalt D. hat in seinem Antrag auf Festsetzung der Vergütung für den 2. Verhandlungstag neben der Gebühr gemäß Nr. 4120 VV RVG eine zusätzliche Gebühr nach Nr. 4122 VV RVG mit der Begründung geltend gemacht, dass der Termin mehr als fünf Stunden gedauert und für den Angeklagten stets ein Pflichtverteidiger teilgenommen habe. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat im Kostenfestsetzungsbeschluss die zusätzliche Gebühr abgesetzt, da Rechtsanwalt D. keine Abtretungserklärung des Rechtsanwalts R. vorgelegt habe; selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, wäre dem Antrag nicht stattzugeben, weil die Zusatzgebühr weder für Rechtsanwalt D. noch für Rechtsanwalt R. entstanden sei, da beide jeweils unter fünf Stunden in der Hauptverhandlung anwesend gewesen seien. Hiergegen hat Rechtsanwalt D. unter Vorlage einer Erklärung, in der Rechtsanwalt R. seinen Vergütungsanspruch an ihn abgetreten hat, Erinnerung eingelegt. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss nach Übertragung der Entscheidung vom Einzelrichter auf die Kammer wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Erinnerung stattgegeben und die Vergütung des Rechtsanwalts auf weitere 211,82 EUR (zusätzliche Gebühr in Höhe von 178,00 EUR nebst anteiliger Umsatzsteuer) festgesetzt. Die dagegen gerichtete, nach den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 und 3 RVG zulässige Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht, über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 2 RVG), hat im Ergebnis keinen Erfolg.

Rechtsanwalt D. steht die beantragte zusätzliche Gebühr nach Nr. 4122 VV RVG zu.

1. Ist bei einer notwendigen Verteidigung gemäß § 140 StPO der nach § 141 StPO bestellte Verteidiger (Pflichtverteidiger) an der Wahrnehmung eines Hauptverhandlungstermins verhindert, so entspricht die Bestellung eines sog. "Terminsvertreters" für den Zeitraum der Abwesenheit des Pflichtverteidigers weithin geübter und unbeanstandeter Praxis. Der Gesetzgeber hat allerdings die gebührenrechtlichen Folgen einer solchen Terminsvertretung nicht ausdrücklich geregelt und der Ausgestaltung durch die Judikatur überlassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Kammergerichts entsteht infolge der Bestellung des Terminsvertreters der Gebührenanspruch unmittelbar in seiner Person (vgl. Senat, Beschlüsse vom 13. März 2008 - 1 Ws 77/08 - [StraFo 2008, 349] und 28. März 2008 - 1 Ws 79/08 -; Beschlüsse vom 8. Dezember 2006 - 3 Ws 353/06 - [RVGreport 2007, 108] und 31. Oktober 2006 - 4 Ws 18/06 -; Beschluss vom 29. Juni 2005 - 5 Ws 164/05 - [NStZ-RR 2005, 327] für den insoweit gleichgelagerten Fall der Vertretung des bestellten Nebenklägerbeistands). Der Vertreter kann jedoch keine höhere Vergütung beanspruchen, als der Vertretene hätte geltend machen können, wenn er den Termin selbst wahrgenommen hätte (vgl. KG aaO.). Dies wirkt sich nach der wohl überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum dahin aus, dass der Terminsvertreter nur die jeweilige Terminsgebühr, nicht auch die Grundgebühr und die Post- und Telekommunikationspauschale sowie ggf. auch nicht die Verfahrensgebühr geltend machen kann (vgl. KG aaO.; OLG Brandenburg, Beschluss vom 25. August 2009 - 2 Ws 111/09 - [RVGreport 2010, 218]; OLG Celle, Beschlüsse vom 19. Dezember 2008 - 2 Ws 365/08 - [NdsRpfl 2009, 141] und 25. August 2006 - 1 Ws 423/06 - [StraFo 2006, 471]; OLG Dresden, Beschluss vom 5. September 2007 - 1 Ws 155/07 -; OLG Hamm, Beschluss vom 28. November 2006 - 3 Ws 569/06 - [RVGreport 2007, 108]; Hartmann, Kostengesetze 40. Aufl., Nr. 4100, 4101 VV RVG Rdn. 2; a.A. OLG Köln, Beschluss vom 26. März 2010 - 2 Ws 129/10 - [RVGreport 2010, 462]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Oktober 2008 - 1 Ws 318/08 - [StRR 2009, 157]; OLG München, Beschluss vom 23. Oktober 2008 - 4 Ws 140/08 - [NStZ-RR 2009, 32]; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juli 2008 - 3 Ws 281/08 - [NJW 2008, 2935]...

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