Verfahrensgang

LG München I (Entscheidung vom 25.07.2008; Aktenzeichen 9 KLs 237 Js 234300/06)

 

Tenor

  • I.

    Die Sache wird dem Senat zur Entscheidung übertragen.

  • II.

    Die Beschwerde der weiteren Pflichtverteidigerin xxx gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 25. Juli 2008, mit dem ihre Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 12. Juni 2008 zurückgewiesen wurde, wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Pflichtverteidigervergütung auf weitere 216,58 EUR festgesetzt wird.

 

Gründe

I.

Im vorgenannten Strafverfahren wurde Rechtsanwältin xxx der in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten xxx am sechsten Verhandlungstag, dem 12.2.2008, für diesen Hauptverhandlungstermin anstelle des entschuldigten Pflichtverteidigers xxx als Pflichtverteidigerin beigeordnet.

Rechtsanwältin xxx beantragte am 19.3.1008 ihr folgende Gebühren festzusetzen:

Grundgebühr gemäß Nr. 4101 VV RVG mit Zuschlag Haft

162,00 EUR

Verfahrensgebühr 1. Rechtszug vor dem Landgericht Nr. 4119

VV RVG mit Zuschlag Haft

151,00 EUR

Termingebühr mündliche Verhandlung am 22.2.2008

VV Nr. 4121 mit Zuschlag Haft (richtig: VV Nr. 4115)

263,00 EUR

Pauschale gemäß Nr. 7002 (VV RVG)

20,00 EUR

sowie 19% Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG

Die Kostenbeamtin setzte die Pflichtverteidigervergütung am 12.6.2008 auf nur 312,97 EUR fest (Terminsgebühr Nr. 4115 zuzüglich Mehrwertsteuer) und lehnte die Erstattung der Grund- und Verfahrensgebühr sowie der Pauschale gemäß RVG VV 7002 ab.

Gegen diesen ihr am 16.6.2008 zugestellten Beschluss legte Rechtsanwälte xxx am 19.6.2008 eine als Erinnerung zu behandelnde sofortige Beschwerde ein, mit dem sie ihren Kostenfestsetzungsantrag weiter verfolgte.

Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung am 3.7.2008 nicht abgeholfen und die Akten der Strafkammer zur Entscheidung vorgelegt. Die Strafkammer hat die Erinnerung mit Einzelrichterbeschluss vom 25.7.2008 zurückgewiesen. Gegen den ihr am 30.7.2008 zugestellten Beschluss hat Rechtsanwältin xxx am 6.8.2008 Beschwerde eingelegt, der das Landgericht mit Beschluss vom 11.8.2008 nicht abgeholfen hat.

Im Übrigen wird auf den Inhalt des diesbezüglichen Kostenhefts Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der weiteren Pflichtverteidigerin xxx ist gemäß § 33 Abs. 3 Sätze 1 und 3, § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG zulässig; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200 EUR. In der Sache erweist sich die Beschwerde weitgehend als begründet.

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob der wegen der Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordnete Verteidiger als Vergütung für seine Tätigkeit als so genannter "Terminsvertreter" nur die Terminsgebühren erhält, weil er lediglich als Vertreter des die Verteidigung insgesamt führenden Pflichtverteidigers beigeordnet worden ist, oder ob diesem weiteren Pflichtverteidiger eine (volle) Vergütung nach Abschnitt 1 des Teils 4 des Vergütungsverzeichnisses zusteht (zum Meinungsstand vgl. OLG Karlsruhe NJW 2008, 2935).

Der Senat folgt der Auffassung des OLG Karlsruhe (a.a.O.) und des OLG Hamm (Beschluss vom 23.3.2006 - 3 Ws 586/05 - zitiert nach [...]), wonach sich der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger beigeordnet worden ist, nicht auf die Terminsgebühren beschränkt, sondern alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG umfasst (vgl. auch Burhoff in Gerold/Schmidt RVG 18. Aufl. VV Nr. 4100,4101 Rn. 5).

Dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für die Dauer eines Hauptverhandlungstermins beigeordneten weiteren Verteidiger ist für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensabschnitt die Verteidigung des Angeklagten ohne jede inhaltliche Beschränkung übertragen. Eine Beiordnung lediglich als Vertreter des bereits bestellten Pflichtverteidigers dergestalt, dass der Beigeordnete gleichsam als Hilfsperson des eigentlichen Pflichtverteidigers in dessen Beiordnungsverhältnis mit einbezogen wird, kennt die Strafprozessordnung nicht. Deren Zulässigkeit lässt sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen ableiten. Durch die Beiordnung als Verteidiger für einen Terminstag anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers wird vielmehr ein eigenständiges, öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger während der Dauer der Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Aus der Eigenständigkeit der jeweiligen Beiordnungsverhältnisse folgt zugleich, dass die anwaltlichen Tätigkeiten der jeweiligen Pflichtverteidiger auch hinsichtlich ihrer Vergütung gesondert zu bewerten sind. Da der wegen der Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordnete (weitere) Verteidiger umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrecht...

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