Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergewaltigung

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 22.02.2005; Aktenzeichen (540) 70 Js 1315/00 VRs (9/04))

 

Tenor

Die Beschwerde der Rechtsanwältin S. S., Berlin, gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin vom 22. Februar 2005 wird verworfen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Gegen R. W. erhob die Staatsanwaltschaft unter dem 22. Juli 2004 Anklage wegen Vergewaltigung der Zeugin Ra. Wi. Am 13. September 2004 zeigte Rechtsanwältin H. unter Einreichung einer Vollmacht die Vertretung der Zeugin an und erklärte, die Zeugin schließe sich der öffentlichen Klage als Nebenklägerin an. Mit Beschluß vom 15. September 2004 stellte die mit der Sache befaßte Strafkammer nach §§ 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, 396 Abs. 2 Satz 1 StPO die Wirksamkeit des Anschlusses fest und bestellte gemäß § 397 a Abs. 1 Satz 1 StPO Rechtsanwältin H. zum Beistand der Nebenklägerin.

Vor Beginn der zweitägigen Hauptverhandlung teilte Rechtsanwältin H. der Strafkammer mit, sie sei am 1. Verhandlungstag am Erscheinen verhindert. An diesem Tag werde Rechtsanwältin S. im Einvernehmen mit der Nebenklägerin deren Vertretung übernehmen. Zu Beginn der Hauptverhandlung am 11. Oktober 2004 bestellte die Strafkammer für die Dauer der Abwesenheit von Rechtsanwältin H. der Nebenklägerin Rechtsanwältin S. mit der Maßgabe zum Beistand, daß die Gebühr nur einmal entstehe. Am zweiten Verhandlungstag, dem 19. Oktober 2004, an dem Rechtsanwältin H. teilnahm, wurde der Angeklagte rechtskräftig verurteilt.

Mit Beschluß vom 19. November 2004 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts die Vergütung für Rechtsanwältin H. unter Zuerkennung der Grundgebühr (VV RVG Nr. 4100) von 132 Euro, der Verfahrensgebühr (VV Nr. 4112) von 124 Euro, der Terminsgebühr (VV Nr. 4114) von 216 Euro sowie einer Auslagenpauschale von 15 Euro und von Kopierkosten auf 604,70 Euro festgesetzt.

Rechtsanwältin S., um deren Vergütung es jetzt noch geht, hat die Festsetzung der Grundgebühr (VV Nr. 4100) von 132 Euro, der Terminsgebühr (VV Nr. 4114) von 216 Euro, einer zusätzlichen Terminsgebühr (VV Nr. 4116) von 108 Euro sowie der Auslagenpauschale von 20 Euro beantragt und unter Einbeziehung der Umsatzsteuer eine Vergütung von 552,16 Euro beansprucht. Mit Beschluß vom 26. November 2004 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts die Vergütung auf lediglich 381,64 Euro festgesetzt. Dieser Betrag setzt sich aus den Terminsgebühren (VV Nr. 4114, 4116) von 216 Euro und 108 Euro, einer Postpauschale von 5 Euro sowie der Umsatzsteuer von 52,64 Euro zusammen. Die Zuerkennung der Grundgebühr (VV Nr. 4100) hat die Rechtspflegerin mit der Begründung abgelehnt, die Beiordnung der Beschwerdeführerin sei mit der Maßgabe erfolgt, daß die Gebühr nur einmal entstehe, und die Grundgebühr sei bereits für Rechtsanwältin H. festgesetzt worden. Deshalb sei bei der Beschwerdeführerin auch die Postpauschale nicht erstattungsfähig. Da Rechtsanwältin H. anstelle der ihr nach VV Nr. 7002 zustehenden 20 Euro nur 15 Euro beansprucht habe, könne aber der Differenzbetrag der Beschwerdeführerin zugesprochen werden.

Die Erinnerung der Rechtsanwältin S. hat die Strafkammer mit dem Beschluß vom 22. Februar 2005 verworfen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Beschwerdeführerin sei nicht die Vertretung der Nebenklägerin als solche, sondern nur die Wahrnehmung einer Einzeltätigkeit übertragen worden, so daß ihr lediglich eine Gebühr nach VV Nr. 4301 Ziff. 4 in Höhe von 168 Euro zustehe. Auf die Grundgebühr habe sie keinen Anspruch.

Die Strafkammer, die diese Entscheidung in der Besetzung mit drei Richtern getroffen hat, hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG die Beschwerde zugelassen. Die hiernach zulässige Beschwerde der Rechtsanwältin hat keinen Erfolg.

1. Nicht zu folgen ist allerdings der Auffassung der Strafkammer, die Gebühren der Beschwerdeführerin seien nicht nach Abschnitt 1 (Gebühren des Verteidigers), sondern nach Abschnitt 3 (Einzeltätigkeiten) des Teils 4 (Strafsachen) des Vergütungsverzeichnisses Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG festzusetzen.

Nach der amtlichen Vorbemerkung 4.3 Abs. 1 zu Teil 4 Abschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses entstehen Gebühren nach diesem Abschnitt für einzelne Tätigkeiten, ohne daß dem Rechtsanwalt sonst die Verteidigung oder Vertretung übertragen worden ist. Damit stellt Abschnitt 3 dem Vollverteidiger, dessen Gebühren sich nach den VV Nr. 4100 ff bestimmen, den Anwalt gegenüber, dem nur eine oder mehrere Einzelaufgaben aus dem Arbeitsbereich des Verteidigers übertragen worden sind (vgl. Madert in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG 2004, VV 4300 – 4304 Rdn. 1). Auf die Vergütung des Beistands des Nebenklägers findet diese Regelung nach der Vorbemerkung 4 Abs. 1 zu Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses entsprechende Anwendung (vgl. Gebauer/Schneider, RVG 2. Aufl., VV Vorb. 4.3 Rdnrn. 1, 2 und 7).

Hiernach wird eine Einordnung der Beistandsleistung der Beschwerdef...

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