Leitsatz (amtlich)

Die Vorlage einer "sofortigen Beschwerde" an das Beschwerdegericht ist verfahrensfehlerhaft, wenn nach einer Teilabhilfe die Beschwerdesumme aus § 569 Abs. 2 ZPO nicht mehr erreicht wird.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 09.12.2005; Aktenzeichen 8 O 226/05)

 

Tenor

1. Auf den als "Beschwerde" bezeichneten Rechtsbehelf der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers bei dem LG Berlin vom 9.12.2005 - 8 O 226/05 - wird der Teilabhilfebeschluss des Rechtspflegers beim dem LG Berlin vom 20.1.2006 - 8 O 226/05 - in Ziff. 3 (Vorlage an das KG) aufgehoben und das Verfahren zur eigenen Entscheidung durch das LG - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - zurückverwiesen.

2. Eine Entscheidung über den als "Beschwerde" bezeichneten Rechtsbehelf der Beklagten gegen den Beschluss des Rechtspflegers bei dem LG Berlin vom 20.6.2006 (Ziff. 1, 2) - 8 O 226/05 - wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Die Vorlage des Rechtsbehelfs der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.12.2005 - in seiner durch den Teilabhilfebeschluss vom 20.1.2006 gegebenen Fassung - ist unzulässig, § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Denn mangels hinreichender Beschwer (§ 576 Abs. 2 ZPO: 200 EUR) wäre eine sofortige Beschwerde unzulässig. Damit ist der Rechtsbehelf der Klägerin als Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG zu behandeln. Eine Erinnerung ist dem Richter des LG zur Entscheidung vorzulegen, § 11 Abs. 2 Satz 3 RpflG.

1. Der Wert der Beschwer der Klägerin hat bei der Vorlage an das KG 170 EUR nicht überstiegen.

a) Maßgeblich für die Bestimmung der Höhe der Beschwer gem. § 572 Abs. 2 ZPO ist der Zeitpunkt der Vorlagentscheidung nach einer ggf. vom Rechtspfleger getroffenen Teilabhilfeentscheidung. Denn erst mit der Abhilfeentscheidung fällt der Rechtsbehelf (jedenfalls der zum LG eingelegte) beim Beschwerdegericht an und dieses soll gem. § 576 Abs. 2 ZPO von Bagatellverfahren entlastet werden.

Diese Auffassung entspricht der weitgehend einhelligen in Rechtsprechung und Literatur (BayObLG v. 28.11.1994 - 1Z BR 130/94, BayObLGZ 1994, 374 [376], m.w.N.; OLG Frankfurt v. 10.6.1987 - 6 117/87, Rpfleger 1988, 30, m.w.N.; Mümmler, JurBüro 1988, 1504, m.w.N.). Die gegenteilige Entscheidung des 15. Zivilsenats des KG vom 20.8.1958 (NJW 1958, 2023) ist vereinzelt geblieben und schon der 1. Zivilsenat des KG ist ihr in der Vergangenheit nicht mehr gefolgt (KG v. 25.6.1991 - 1 W 2182/91, Rpfleger 1991, 409). Auch v.Eicken/Müller-Rabe (in Gerold/Schmidt, RVG, 17. Aufl., § 56 Rz. 19) haben ihre gegenteilige Auffassung aus der Vorauflage aufgegeben (anderer Ansicht noch Stein/Jonas/Grundsky, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rz. 31). An dieser weitgehend einhelligen Auffassung ist jedenfalls in den Fällen festzuhalten, in denen - wie vorliegend - der Rechtsbehelf im nach der Teilabhilfe verbliebenen Umfang nicht unzulässig, sondern er nur einem anderen, besonderen Vorlageverfahren zugeführt wird. Denn nur dieses Verfahren trägt dem verbliebenen Bagatellcharakter hinreichend Rechnung und der Rechtsbehelfsführer wird nicht rechtlos gestellt.

b) Liegen mehrere Beschwerden vor, ist der Beschwerdewert für jedes Rechtsmittel getrennt zu bestimmen (BayObLG v. 28.11.1994 - 1Z BR 130/94, BayObLGZ 1994, 374 [375]). Auf die Beschwerde der Beklagten und deren Rechtsbehelf gegen den Teilabhilfebeschluss kommt es daher nicht an.

c) Die Beschwerdesumme errechnet sich aus der Differenz zwischen dem, was der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung erlangt hat (oder was ihm auferlegt worden ist) und dem, was er nach seinem Beschwerdeantrag erlangen (oder abwenden) will, also nach der Differenz, um die der Beschwerdeführer sich verbessern will (BayObLG, Rpfleger 2000, 441 f.; Lipp in MünchKomm/ZPO, § 576 Rz. 25; Stein/Jonas/Grundky, ZPO, 21. Aufl., § 567 Rz. 32).

Vorliegend ist die Klägerin - soweit der Rechtspfleger bei dem LG nicht abgeholfen hat - i.H.v. 187,50 EUR mit einer Terminsgebühr (0,5) nach dem Hauptsachenwert belastet worden. Mit ihrem Rechtsbehelf erstrebt die Klägerin die Verringerung der Terminsgebühr auf eine solche berechnet nach dem Kostenwert an (hier im Ergebnis 52,50 EUR). Die Differenz von 135 EUR übersteigt einschließlich der Umsatzsteuer und anteiliger Zinsen nicht einen Betrag von 170 EUR. Sie bleibt daher hinter der Mindestbeschwerdesumme von 200,01 EUR (§ 569 Abs. 2 ZPO) zurück.

2. Das Verfahren war daher unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses an das LG zurück zu verweisen, das über den nach Abhilfe verbliebenen Teil des als Erinnerung aufzufassenden Rechtsbehlfs abschließend in eigener Zuständigkeit sowie über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat (vgl. OLG Frankfurt v. 10.6.1987 - 6 117/87, Rpfleger 1988, 30; Baumbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 104 Rz. 63).

II. Der - zum LG eingelegte und von dort formlos an das KG nachgereichte - Rechtsbehelf der Beklagten gegen den Teilabhilfebeschluss des Rechtspflegers bei dem LG (Ziff. 1 und 2) ist nicht wirksam beim Beschwerdegericht angefallen. Denn auch insoweit ...

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