Leitsatz (amtlich)

Als Verfahrensabschnitt im Sinne des 5 58 Abs. 3 RVG ist der Instanzenzug anzusehen, wobei das Ermittlungsverfahren und das Verfahren des ersten Rechtszuges als Einheit gelten.

Bei dem strafrechtlichen Vorverfahren und dem Hauptverfahren handelt es sich nicht um verschiedene "Angelegenheiten" im Sinne der §§ 17, 18 RVG.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 18.12.2001; Aktenzeichen (525) 69 Js 13/06 KLs (22/05))

 

Tenor

  • 1.

    Die Beschwerde der Pflichtverteidigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 18. Dezember 2001 wird verworfen.

  • 2.

    Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin wird die der Pflichtverteidigerin aus der Landeskasse zustehende Vergütung auf 379,61 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird ihre Beschwerde verworfen.

  • 3.

    Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die beigeordnete Rechtsanwältin hat nach der Verurteilung ihres Mandanten durch das Landgericht Berlin die Festsetzung von Gebühren in Höhe von insgesamt 3.347,70 EUR beantragt. Diesen Antrag hat die Urkundsbeamtin des Landgerichts Berlin mit Beschluss vom 27. September 2007 mit der Begründung zurückgewiesen, die bis zu diesem Zeitpunkt aufgrund zweier Honorarvereinbarungen erfolgten Zahlungen in Höhe von insgesamt 4.160,00 EUR würden die einem Pflichtverteidiger zustehenden Gebühren in Höhe von 1893,00 EUR um das Doppelte übersteigen.Die Rechtsanwältin hatte mit der Mutter des ehemaligen Angeklagten zunächst am 7. Februar 2006 eine Honorarvereinbarung für das Verfahren bis zur Hauptverhandlung in erster Instanz über 3.000,00 EUR zuzüglich aller Auslagen und am 17. Juli 2006 für das Hauptverfahren eine Vergütungsvereinbarung geschlossen, nach der ein Honorar zu zahlen war, dessen Höhe sich nach den in Ansatz zu bringenden Pflichtverteidigergebühren entsprechend des Teils 4 des Vergütungsverzeichnisses des RVG zuzüglich der Mehrwertsteuer richtensollte. Das Landgericht Berlin (in der Besetzung mit drei Richtern) hat auf die Erinnerung der Rechtsanwältin gegen die Entscheidung vom 27. September 2007 mit Beschluss vom 18. Dezember 2007, abgeändert durch Beschluss vom 28. Februar 2008, eine Pflichtverteidigervergütung in Höhe von insgesamt 402,65 EUR festgesetzt. Nach Ansicht der Kammer war die Anrechnung der aufgrund der Honorarvereinbarung erfolgten Zahlungen auf die zu erstattenden Auslagen (Postpauschale und Dokumentenpauschale) unzulässig, weshalb insofern eine Erstattung angeordnet wurde.

Die zulässige Beschwerde der Rechtsanwältin, mit der sie sich gegen jedwede Anrechnung der Zahlungen aus den Honorarvereinbarungen wendet, hat keinen Erfolg. Die ebenfalls zulässige Beschwerde der Bezirksrevisorin, mit der sie eine Anrechnung des gesamten Honorars auf alle zu erstattenden Gebühren und Auslagen erreichen wollte, hat teilweise Erfolg.

1.

Die Rechtsanwältin hat einen Anspruch in Höhe von 379,61 EUR für die angefertigten Kopien (Nr. 7002 VV RVG), weil sie für diese Tätigkeit bisher kein Geld erhalten hat. Sie hat aber weder einen Anspruch auf Gebühren nach dem Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses, noch auf Erstattung der Postpauschale". (Nr. 7002 VV RVG), da die erhaltenen Zahlungen aus beiden Honorarvereinbarungen die einem Pflichtverteidiger zustehenden Gebühren um mehr als den doppelten Betrag übersteigen und die Postpauschale in Höhe von insgesamt 23,20 EUR aufgrund der Rechnung vom 9. Februar 2006 schon durch die Auftraggeberin beglichen worden ist.

a)

Nach § 58 Abs. 3 RVG sind in Strafsachen Vorschüsse und Zahlungen, die der zum Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt vor oder nach der gerichtlichen Bestellung für seine Tätigkeit für bestimmte Verfahrensabschnitte erhalten hat, auf die von der Staatskasse für diese Verfahrensabschnitte zu zahlenden Gebühren anzurechnen. Bei dem Ermittlungsverfahren handelt es sich um keinen eigenen vom Hauptverfahren zu unterscheidenden Verfahrensabschnitt im Sinne des § 58 Abs. 3 RVG. Die Zahlungen, die die Rechtsanwältin aufgrund der Vereinbarungen vom 7. Februar 2006 (Honorarvereinbarung für das Verfahren bis zur Hauptverhandlung in erster Instanz) und 17. Juli 2006 (Vergütungsvereinbarung für das Hauptverfahren) erhalten hat, müssen daher entgegen dem Festsetzungsantrag, in dem die Rechtsanwältin nur Gebühren für die Hauptverhandlung geltend gemacht und vertreten hat, dass die auf die ersten Honorarvereinbarung für das Verfahren bis zur Haupthandlung geleisteten Zahlungen nicht berücksichtigt werden dürften, zusammengerechnet werden.

Als Verfahrensabschnitt im Sinne des 5 58 Abs. 3 RVG ist der Instanzenzug anzusehen, wobei das Ermittlungsverfahren und das Verfahren des ersten Rechtszuges als Einheit gelten. Dies folgt in erster Linie aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. § 58 Abs. 3 RVG ist an die Stelle des § 101 Abs_ 1 und 2 BRAGO getreten, wonach die Anrechnung von Zahlungen für die "Tätigkeit in der Strafsache" erfolgte (OLG Hamm, Beschluss vom 20. November 2007 - 3 Ws 320/07 - bei www.burhoff.de). Diese im Wortlaut sehr weite Anrechnung...

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