Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fällig. Erst ab diesem Zeitpunkt beginnt der Lauf der Verjährungsfrist (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).

 

Normenkette

RVG § 51

 

Tenor

Dem Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt F., wird auf seinen Antrag gemäß § 51 RVG eine Pauschgebühr in Höhe von

28.000,-- EUR

bewilligt.

 

Gründe

Der Senat hat den Angeklagten am 16. Oktober 2009 wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung und versuchter Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit der Verwerfung seiner Revision durch Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 3. Mai 2011 (3 StR 277/10) ist das Urteil rechtskräftig geworden. Rechtsanwalt F. war am 16. September 2008 als Pflichtverteidiger bestellt worden. Die von ihm am 19. September 2014 in "angemessener Höhe" beantragte Pauschgebühr setzt der Senat auf 28.000 EUR fest.

1. Der Senat entscheidet gemäß den §§ 51 Abs. 2 Satz 4, 42 Abs. 3 Satz 2 RVG in der Besetzung mit drei Richtern.

2. Die vom Bezirksrevisor unter Berufung auf die bisherige Rechtsprechung des Kammergerichts hinsichtlich der Pauschgebühr für das vorbereitende Verfahren und den ersten Rechtszug erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch.

Die Verjährungsfrist beträgt in entsprechender Anwendung des § 195 BGB drei Jahre. Sie beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Das ist grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem die Forderung fällig geworden ist (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB 74. Aufl., Rdn. 2 zu § 199).

Wann der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr (§ 51 RVG) entsteht, wenn der Pflichtverteidiger bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens tätig war, ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstritten.

Nach den zum alten Recht der BRAGO ergangenen Entscheidungen des Kammergerichts war dabei auf den ersten in § 16 Satz 2 BRAGO (jetzt § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG) genannten Fälligkeitszeitpunkt abzustellen, also auf eine ergangene Kostenentscheidung oder auf die Beendigung des Rechtszuges (vgl. KG, Beschlüsse vom 3. August 2010 - 1 ARs 32/09 - und 18. Januar 2005 - 4 ARs 65/04 -; KG JurBüro 1999, 26; so auch OLG Braunschweig, Beschluß vom 17. Januar 2000 - ARs 55/99 - bei juris; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluß vom 7. November 1990 - Xs 132/90 - bei juris). Zur Begründung wurde angeführt, die Pauschgebühr könne nicht anders behandelt werden als die gesetzliche Vergütung des Pflichtverteidigers, an dessen Stelle sie in besonders schwierigen und umfangreichen Verfahren trete. Danach wäre hier, wie der Bezirksrevisor folgerichtig dargelegt hat, nach dem erstinstanzlichen Urteil vom 16. September 2009 die dreijährige Verjährungsfrist am 1. Januar 2010 in Gang gesetzt worden und unter Berücksichtigung ihrer Hemmung (§ 8 Abs. 2 Satz 1 und 2 RVG) mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs am 3. Mai 2014 bereits vor Eingang des Pauschantrages abgelaufen.

Nach der Gegenansicht wird der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr erst mit dem rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens fällig (vgl. OLG Düsseldorf AGS 2007, 75; OLG Köln, Beschluß vom 29. Dezember 2005 - 2 ARs 229/05 - bei juris; Thüringerisches OLG AGS 1998, 87; OLG Hamm NStZ 1997, 41; OLG Bamberg JurBüro 1990, 1282). Dem schließt sich der Senat an, der beim Kammergericht seit 2007 für Entscheidungen über Anträge nach § 51 RVG ausschließlich zuständig ist. Er hält an der bisherigen Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn nicht mehr fest.

Eine Gebühr, die besondere Schwierigkeiten anwaltlicher Tätigkeit im gesamten Verfahren pauschal honorieren soll, kann erst nach dessen Abschluß und nicht schon mit Erlaß des ersten Urteils oder Beendigung des Rechtszuges bemessen werden.

Die Ansicht, daß der Anspruch aus § 51 RVG hinsichtlich des Verjährungsbeginns wie der nach § 55 RVG behandelt werden müsse, übersieht, daß der Anspruch aus § 51 RVG im Zeitpunkt der Fälligkeit einzelner Gebühren noch nicht entstanden ist. Denn von der für das gesamte Verfahren bewilligten Pauschgebühr werden auch Leistungen erfaßt, die der Rechtsanwalt erst nach den in § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG genannten Fälligkeitszeitpunkten erbracht hat, deren einzelne Vergütungen naturgemäß erst danach fällig werden können. Demzufolge sind bei der Prüfung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Pflichtverteidiger eine Pauschgebühr zusteht, in einer gebotenen Gesamtschau (std. Rspr. des KG, vgl. Beschluß vom 31. März 2015 - 1 ARs 1/13 -) die Tätigkeiten des Antragstellers in allen Verfahrensabschnitten zu berücksichtigen, was trotz einer überobligatorischen Belastung in einem Verfahrensabschnitt wegen einer unterdurchschnittlichen Beanspruchung in anderen Verfahrensteilen zu einer Versagung der Pauschgebühr führen kann. Deshalb läßt sich entgegen der Ansicht des OLG Braunschweig (aaO.) keineswegs häufig schon mit Abschluß der ersten Instanz hinlänglich beu...

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