Leitsatz (amtlich)

Der Zugang des Benachrichtigungsscheines ersetzt nicht den Zugang des Einschreibebriefes.

Der Empfänger einer Benachrichtigung über die Niederlegung einer Zustellung ist nicht ohne weiteres gehalten, das für ihn niedergelegte Schriftstück abzuholen.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 28.12.2009; Aktenzeichen 12 O 202/09)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 28.12.2009 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des LG Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Berufung war durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert (§ 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf den Hinweis nach § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO vom 6.5.2010 verwiesen, der im Einzelnen wie folgt lautet:

"Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt den im Ergebnis zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

I. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Räumlichkeiten in der D. in B., weil die Klägerin die mit den Beklagten geschlossenen Mietverträge nicht wirksam gekündigt hat.

Die Klägerin war als Ersteherin des streitgegenständlichen Grundstücks gem. § 57a ZVG berechtigt, die Mietverhältnisse unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen, wobei gem. § 57a Satz 2 ZVG die Kündigung ausgeschlossen ist, wenn sie nicht für den ersten Termin erfolgt, für den sie zulässig ist.

Für die Bestimmung des erstzulässigen Termins kommt es auf die Verkündung (§ 89 ZVG) des Zuschlagbeschlusses an (OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2009, 926), der vorliegend am 10.7.2008 erfolgt ist (Anlage Bl. 16). Gemäß § 580a Abs. 2 BGB war die ordentliche Kündigung der Mietverhältnisse demnach spätestens am 6.10.2008 zum 31.3.2009 möglich.

Die Klägerin will die Mietverhältnisse zum einen mit zwei an die Beklagte zu 1) gerichteten Schreiben vom 15.8.2008 und zum anderen mit einem an den Beklagten zu 2) gerichteten Schreiben vom 18.8.2008 sowie mit einem weiteren an den Beklagten zu 2) gerichteten Schreiben vom 5.9.2008 gekündigt haben.

Keines dieser Schreiben ist wirksam zugegangen, § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Das an die Beklagte zu 1) an die Adresse R. in B. gerichtete Schreiben vom 15.8.2008 sowie das an den Beklagten zu 2) ebenfalls an die Adresse R. gerichtete Schreiben vom 18.8.2008 will die Klägerin per Einschreiben mit Rückschein zugestellt haben, wobei beide Schreiben nicht innerhalb der Lagerfrist abgeholt worden seien.

Bezüglich des an den Beklagten zu 2) gerichteten Schreibens vom 18.8.2010 fehlt es bereits an einem Nachweis, dass das Schreiben tatsächlich per Einschreiben mit Rückschein zugestellt worden ist, so dass es schon deshalb an dem Nachweis des Zugangs fehlt.

Aber auch das an die Beklagte zu 1) gerichtete Schreiben ist nicht wirksam zugegangen, § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zugegangen ist eine Willenserklärung, sobald sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei der Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihr Kenntnis erlangen (BGHZ 137, 205 = NJW 1998, 976). Danach ist der Beklagten zu 1) allenfalls fristgerecht der von dem Postzusteller gefertigte Benachrichtigungsschein zugegangen. Dieser Zettel unterrichtet den Empfänger, dass für ihn eine Einschreibesendung bei der Post zur Abholung bereit liegt. Er enthält aber keinen Hinweis auf den Absender des Einschreibebriefes und lässt den Empfänger im Ungewissen darüber, welche Angelegenheit die Einschreibesendung zum Gegenstand hat. Der Zugang des Benachrichtigungsscheines ersetzt daher nicht den Zugang des Einschreibebriefes (BGH, a.a.O.).

Die Beklagte zu 1) muss sich auch nicht gem. § 242 BGB so behandeln lassen, als ob ihr die Kündigungserklärungen rechtzeitig zugegangen wären. Der Empfänger einer Benachrichtigung über die Niederlegung einer Zustellung ist nicht ohne weiteres gehalten, das für ihn niedergelegte Schriftstück abzuholen (BGH, NJW 1977, 194). Andererseits kann der Erklärende nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, NJW 1998, 976), der sich der Senat anschließt, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aus seiner nicht zugegangenen Willenserklärung ihm günstige Rechtsfolgen nur ableiten, wenn er alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Erklärung den Adressaten erreichen konnte. Dazu gehört in der Regel, dass er nach Kenntnis von dem nicht erfolgten Zugang unverzüglich einen erneuten...

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