Leitsatz (amtlich)

Durch den Abschluss einer Teilzahlungsvereinbarung über eine unbestrittene Forderung entsteht die Einigungsgebühr nach Nr. 2608 in Verbindung mit Nr. 1000 RVG-VV nur unter der Voraussetzung, dass der Gläubiger eine zusätzliche Sicherheit erhält, durch die eine Ungewissheit über die Durchsetzung der Forderung gegen den in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Schuldner beseitigt wird (Fortführung von KG v. 19.7.2005 - 1 W 288/05, KGReport Berlin 2005, 837 = Rpfleger 2005, 697).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 24.08.2005; Aktenzeichen 82 T 96/05)

AG Weddig (Aktenzeichen 70a II 2547/04)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Beschwerdeführer hat ohne Erfolg die Festsetzung einer Einigungsgebühr i.H.v. 125 EUR gem. Nr. 2608 RVG-VV beantragt. Dem liegt Folgendes zugrunde:

Aufgrund eines Berechtigungsscheins nach § 6 BerHG machte der Beschwerdeführer für seinen Mandanten einen Anspruch gegen seine ehemalige Arbeitgeberin auf Abrechnung und Auszahlung rückständigen Lohns i.H.v. 1.500 EUR brutto geltend. Mit Schreiben vom 1.9.2004 teilte diese mit, sie habe am 30.8.2004 eine Rate von 150 EUR überwiesen; da sie sich in finanziellen Schwierigkeiten befinde, bitte sie um Verständnis. Der Beschwerdeführer erwiderte mit Schreiben vom 15.9.2004, der Auftraggeber sei mit dem "Angebot, ... den offenen Lohn ... mit Ratenzahlungen monatlich i.H.v. 150 EUR zu zahlen", einverstanden. Die ehemalige Arbeitgeberin werde "deshalb" gebeten, "die Ratenzahlungen rechtzeitig zu erbringen", im Übrigen sei noch die einbehaltene Lohnsteuer für 2004 zu bescheinigen. Sollte dies nicht bis zum 24.9.2004 geschehen, werde der Anspruch bezüglich der Lohnsteuerkarte ohne weitere Vorankündigung gerichtlich geltend gemacht.

Die Vorinstanzen haben die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 2608 RVG-VV aus unterschiedlichen Gründen verneint:

Nach Auffassung der Rechtspflegerin fehlt es an einem Streit oder einer Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis sowie einem Vertrag; es seien lediglich die Modalitäten zur Erfüllung der unstreitigen Verbindlichkeiten festgelegt worden. Die Erinnerungsrichterin des AG Wedding hält eine Einigungsgebühr bei einer Ratenzahlungsvereinbarung im Beratungshilfeverfahren nicht für gegeben. Das LG als Beschwerdegericht vertritt die Auffassung, die geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung diene lediglich der Regulierung einer unstreitigen Verbindlichkeit und damit der Beseitigung der Ungewissheit über die Realisierung der Forderung. Dies unterfalle nicht dem Tatbestand der Einigungsgebühr nach RVG-VV 1000, da diese Bestimmung - im Gegensatz zu § 23 BRAGO - nicht auf § 779 BGB und damit dessen ausdrückliche gesetzliche Regelung in § 779 Abs. 2 verweise.

Das LG hat die weitere Beschwerde zugelassen.

II. Das zulässige Rechtsmittel gem. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 RVG hat keinen Erfolg. Es fehlt an den Voraussetzungen für das Entstehen einer Einigungsgebühr nach Nr. 1.000 RVG-VV, auf die Nr. 2608 verweist.

1. Anders als das LG hat die Rechtspflegerin bereits das Vorliegen eines Vertrages verneint. Der Senat (KG v. 20.9.2005 - 1 W 239/05, KGReport Berlin 2006, 122) hat ausgeführt, dass die Einigung über Modalitäten der Vertragsabwicklung - dort über die Form der geschuldeten Nachbesserung - nicht notwendig den Abschluss eines neuen, den bisherigen Streit erledigenden Vertrages bedingt. Auch hier könnte fraglich sein, ob das Schreiben der Schuldnerin vom 1.9.2004, in dem sie Ratenzahlung anbot und um Verständnis für ihre finanziellen Schwierigkeiten bat, ein Vertragsangebot darstellte, das durch das anwaltliche Schreiben vom 15.9.2004 angenommen werden konnte. Hierauf kommt es jedoch letztlich nicht an.

2. Allerdings überzeugt es nicht, wenn das LG im Anschluss an Hansens (RVG-Report 2005, 224 [225]) darauf abstellt, dass Nr. 1.000 RVG-VV - im Gegensatz zum früheren § 23 Abs. 1 BRAGO - keine Verweisung auf § 779 BGB enthält, nach dessen Abs. 2 die Ungewissheit über die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs der Ungewissheit über das Bestehen des Anspruchs selbst gleichsteht. Diese formale Argumentation berücksichtigt nicht, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift der Nr. 1.000 RVG-VV eine großzügigere Regelung gegenüber § 23 BRAGO schaffen wollte und davon ausgegangen ist, dass grundsätzlich auch Ratenzahlungsvereinbarungen unter dieser Norm fallen können (vgl. Kessel, EGVZ 2004, 179, m.w.N.), und zwar auch in der Zwangsvollstreckung, wenn lediglich die Verwirklichung des titulierten Anspruchs unsicher ist (Gerold/Schmidt/von Eicken, RVG, 17. Aufl., RVG-VV 1.000 Rz. 64, unter Hinweis auf die Motive zu RVG-VV 3310, abgedr. a.a.O. RVG-VV 3310 Rz. 2).

3. Eine Einigungsgebühr nach Nr. 2608 in Verbindung mit Nr. 1.000 RVG-VV wäre demnach jedenfalls dann angefallen, wenn der Beschwerdeführer bei einem Vergleich i.S.d. § 779 BGB mitgewirkt hätte (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken, RVG, 17. Aufl., RVG-VV 1.000 Rz. 4). Die Voraussetzungen des § 779 BGB liegen hier jedoch ni...

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