Rz. 17

Es muss eine Pflichtverletzung des GBA, d.h. des im Einzelfall zuständigen Organs (Rechtspfleger oder Urkundsbeamter der Geschäftsstelle) vorliegen. Hieran fehlt es, wenn die Gesetzesverletzung nicht vom GBA ausgeht, weil die Eintragung auf Anordnung des Beschwerdegerichts oder auf Ersuchen einer Behörde (zur diesbezüglichen Prüfungskompetenz des GBA siehe § 38 GBO Rdn 85 ff.) vorgenommen wurde.[67]

 

Rz. 18

Ausreichend ist eine objektive Pflichtverletzung. Subjektive Elemente, etwa ein Verschulden des Grundbuchbeamten, sind nicht erforderlich.[68] Maßgebend ist daher, ob das GBA die rechtliche Situation nach der zum Zeitpunkt der Eintragung geltenden Rechtslage[69] und aufgrund des ihm seinerzeit (ggf. auch unrichtig) vorgetragenen Sachverhalts richtig beurteilt hat.[70] Es fehlt demnach an einer Gesetzesverletzung im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 GBO, wenn das GBA seine (folgerichtige) Beurteilung auf einen nicht der wahren Rechtslage entsprechenden Sachverhalt stützt, z.B. bei einer Eintragung aufgrund eines später als unrichtig eingezogenen Erbscheins[71] oder einer nicht der wahren Rechtslage entsprechenden Vertretungsbescheinigung nach § 32 Abs. 1 S. 1 GBO, § 21 Abs. 1 S. 1 BNotO,[72] solange das GBA die Unrichtigkeit nicht kannte oder kennen musste (Legalitätsprinzip, vgl. § 1 Einl. Rdn 61, § 3 GBO Rdn 1).[73] Ebenso ist kein Gesetzesverstoß im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 GBO anzunehmen, wenn das GBA bei der Eintragung einer Zwangssicherungshypothek ein Vollstreckungshindernis nicht berücksichtigt hat, das es weder kannte noch kennen musste.[74] So muss das GBA nicht prüfen, ob die einfache Vollstreckungsklausel nach §§ 724, 725 ZPO zu Recht erteilt wurde oder als qualifizierte Klausel nach § 726 Abs. 1 ZPO hätte erteilt werden müssen[75] und auch nicht ob die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Kapitals der Grundschuld und die Wartefrist gem. § 1193 Abs. 1 BGB gegeben sind.[76] Eine Gesetzesverletzung im Sinne der Vorschrift ist aber auch dann gegeben, wenn die Rechtslage zum Zeitpunkt der Eintragung noch nicht höchstrichterlich geklärt war, dies aber später erfolgt. Rechtsprechung begründet stets nur die Rechtserkenntnis, so dass selbst durch eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung die geltende Rechtslage nicht verändert wird. Vor diesem Hintergrund liegt auch dann eine objektive Rechtsverletzung durch das GBA vor, wenn sich dieses auf eine zumindest vertretbare Auslegung des Gesetzes gestützt hat, die sich dennoch nicht als richtig erweist.[77]

 

Rz. 19

Im Fall der Auslegung einer Urkunde durch das GBA ist eine Gesetzesverletzung ausgeschlossen, solange das Auslegungsergebnis rechtlich vertretbar, d.h. insbesondere mit den anerkannten Auslegungsregeln vereinbar war.[78] Der Unterschied zur Auslegung von Gesetzen ergibt sich daraus, dass bei der Auslegung von Verträgen und Urkunden auch ein erhebliches tatsächliches Element von Relevanz ist, weil die Auslegung anhand des objektiven Empfängerhorizonts zu erfolgen hat. Die Auslegung von Gesetzen ist dagegen als Rechtsfrage stets einem eindeutigen Ergebnis zugänglich, so dass insoweit dem GBA kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zugebilligt werden kann.

[67] KG JW 1937, 3176; OLG Brandenburg FGPrax 2018, 55; OLG Hamm OLGZ 1991, 137, 139; OLG München BWNotZ 2018, 95, 96: Das GBA hat aber u.a. zu prüfen, ob die konkret ersuchte Eintragung unter die Ersuchenskompetenz fällt; Bauer/Schaub/Bauer, § 53 Rn 47.
[68] RG JFG 3, 4; BGHZ 30, 255 = NJW 1959, 1635; vgl. auch Meikel/Schneider, § 53 Rn 80 m.w.N.
[69] RGZ 108, 176, 179; BGHZ 30, 255 = BGH NJW 1959, 1635, 1636; 198, 14, 21 = FGPrax 2013, 239, 241; Meikel/Schneider, § 53 Rn 83; ein späterer Wandel der Rspr. bleibt daher außer Betracht, ebenso aber auch jede spätere Gesetzesänderung, selbst eine mit rückwirkender Kraft: Bauer/Schaub/Bauer, § 53 Rn 48; Meikel/Schneider, § 53 Rn 83; a.A. Eickmann, RpflStud 1984, 1, 6; Bauer/v. Oefele/Meincke, GBO, 3. Aufl. 2013, § 53 Rn 64.
[70] Zum Umfang der (insoweit ausschlaggebenden) Prüfungskompetenz des GBA hinsichtlich der Verfügungsbeschränkung des § 1365 Abs. 1 BGB vgl. BGH Rpfleger 2013, 378 = NotBZ 2013, 344 m. krit. Anm. Klepsch.
[71] OLG Frankfurt Rpfleger 1979, 106 f.
[72] OLG Düsseldorf Rpfleger 2014, 255 = ZfIR 2014, 95 m. Anm. Zimmer.
[73] OLG Düsseldorf NJOZ 2021, 211, 212; OLG Köln BWNotZ 2017, 67, 68; OLG München NZM 2018, 55; Münzberg, Rpfleger 1990, 253; Bauer/Schaub/Bauer, § 53 Rn 65; Dümig, FGPrax 2003, 197, 198; Münzberg, Rpfleger 1990, 253.
[74] OLG Hamm Rpfleger 2005, 532 m. zust. Anm. Eickmann; a.A. OLG Celle Rpfleger 1990, 112.
[75] OLG München BeckRS 2018, 13287; NJW 2018, 2134: Dies gilt auch dann, wenn sich das Bestehen einer Sicherungsabrede aus der Urkunde ergibt; a.A. wohl BGH NJW 2017, 2469, 2471: Die Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks in das Grundbuch macht nach außen hin deutlich, dass die titulierte Sicherungsgrundschuld gegen den Schuldner zwangsweise durchgesetzt werden soll, und schränkt so die Handlungsmöglichke...

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