Rz. 9

Stiftungen gelten – insbesondere in Beraterkreisen – vorwiegend als Mittel, um große Vermögen zu privaten Zwecken auf Dauer gegen die Zufälligkeiten der Erbfolge und vor allem gegen Zugriffe des Fiskus zu isolieren. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Die bei Weitem überwiegende Zahl aller Stiftungen dient gemeinnützigen Zwecken. Für das Jahr 2012 hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen in seinen Statistiken eine Zahl von 19.551 Stiftungen ermittelt, von denen über 95 % gemeinnützig sind.[5] Dem steht die Schätzung von ca. 700 Familienstiftungen gegenüber, die keinen gemeinnützigen Zwecken dienen.[6]

 

Rz. 10

Stiftungen sind sowohl in historischer Perspektive wie auch heute vor allem Instrumente des nachhaltigen Engagements für das Gemeinwohl. Dies schließt nicht aus, dass mit ihnen zugleich private Zwecke verfolgt werden. Ein Unternehmer, der große Teile seines Unternehmens auf eine gemeinnützige Stiftung überträgt, mag damit primär das Ziel verfolgen, dem Unternehmen im Nachfolgefall einen Erbstreit und den Nachkommen die Erbschaftsteuer zu ersparen, damit sein Lebenswerk nicht zerstört wird. Mit der Entscheidung für die gemeinnützige Stiftung hat er gleichwohl die Verfügungsgewalt über substanzielle Vermögenswerte aufgegeben. Vermögen und Erträge stehen fortan nicht mehr für die private Nutzung zur Verfügung.

 

Rz. 11

Dies wird durch die Ergebnisse der von der Bertelsmann Stiftung durchgeführten Stifterstudie bestätigt: Jeweils zwei Drittel der befragten Stifter gaben an, der "Wunsch, etwas zu bewegen" und das "Verantwortungsbewusstsein gegenüber Mitmenschen" hätten ihre Entscheidung beeinflusst, eine Stiftung zu errichten. Jeder zweite Stifter wollte mit der Stiftungsgründung "ein konkretes Problem bekämpfen", vier von zehn Stiftern wollten der "Gesellschaft etwas zurückgeben."[7]

 

Rz. 12

Vor diesem Hintergrund stellen sich Stiftungen vor allem als rechtliche Gestaltungen für eine bestimmte Form altruistischen Handelns dar: die langfristige Widmung eines Vermögens für gemeinnützige Zwecke. Die Gründung einer Stiftung ist sowohl privater Gemeinwohlbeitrag als auch Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheit zur Teilhabe an der Gemeinschaft. Von der überwiegenden Zahl der Autoren wird daher auch angenommen, Art. 14 Abs. 1 GG gewähre ein Grundrecht auf Stiftung als eine bestimmte Form der Nutzung privaten Eigentums.[8] Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts[9] hat der Gesetzgeber ausdrücklich das Recht auf Anerkennung einer rechtsfähigen Stiftung normiert und damit letztlich dem Grundrecht auf Stiftung einfachgesetzlich Rechnung getragen.

 

Rz. 13

Die besondere Aufmerksamkeit, die Stiftungen in den letzten Jahren auch von Seiten der Politik zuteil geworden ist, lässt sich allerdings nicht allein und wahrscheinlich nicht einmal vorrangig damit erklären, der Staat habe die Stiftungsgründung als eine spezielle Form der privaten Freiheitsbetätigung erkannt und gewürdigt. Vielmehr wird von den Stiftungen ein besonderer Beitrag zur Förderung des Gemeinwohls erwartet. Dieser besteht zum einen darin, dass private Mittel für öffentliche Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Die Form der Stiftung ermöglicht aber noch mehr, als Geld dort auszugeben, wo staatliche Mittel knapp sind oder fehlen. Die Ausstattung mit einem substanziellen Vermögen, aus dem sich kontinuierlich Mittel für die Stiftungsarbeit erwirtschaften lassen, verschafft der Stiftung eine Unabhängigkeit, die kein anderer gesellschaftlicher Akteur für sich in Anspruch nehmen kann. Diese unabhängige Position erlaubt es ihr, ihre Mittel im Rahmen des Stiftungszwecks auf der Grundlage eigener strategischer Entscheidungen einzusetzen. Dies unterscheidet sie wesentlich von anderen Akteuren der Bürgergesellschaft:

  • Die öffentliche Hand kann es sich schon aus politischen Gründen nicht leisten, mit Steuermitteln in größerem Umfang zu experimentieren und innovative Wege zu beschreiten. Die Fehlertoleranz der veröffentlichten Meinung ist gering, der Machterhalt als wichtiger Antrieb politischen Handelns lässt nur enge Spielräume zu. In Zeiten knapper Kassen müssen die Mittel zudem auf die Bereitstellung essenzieller öffentlicher Güter und Leistungen fokussiert werden.
  • Erwerbswirtschaftliche Unternehmen sind auf die Erhaltung und den Ausbau ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft im Wettbewerb angewiesen. Sie können nur in geringem Umfang Mittel zur Lösung gesellschaftlicher Probleme außerhalb ihres unmittelbaren Geschäftsfelds zur Verfügung stellen.
  • Die überwiegende Zahl der übrigen Akteure im Dritten Sektor – in Deutschland gibt es rund 580.000 eingetragene Vereine[10] – finanziert sich durch Beiträge oder ist auf staatliche Finanzhilfen angewiesen. Sie sind daher abhängig von ihren Mitgliedern oder müssen sich an staatlichen Vorgaben für die Mittelvergabe orientieren.
  • Die Einrichtungen der Wohlfahrtspflege sind heute schließlich überwiegend in einem engen staatlichen und kommunalen Finanzierungsrahmen tätig, der zunehmend den Charakter eines staatlich domi...

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