Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorläufige und endgültige Beitragsfestsetzung eines hauptberuflich selbständigen freiwillig Krankenversicherten

 

Orientierungssatz

1. Der Beitrag des freiwillig Krankenversicherten nach § 240 Abs. 1 SGB 5 hat dessen gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.

2. Der Beitrag hauptberuflich Selbständiger ist nur nach den im Einkommensteuerbescheid nachgewiesenen Einkünften festzusetzen. Die vorläufige und später endgültige Beitragsfestsetzung ist nur ausnahmsweise bei der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zulässig.

3. Der erlassene Einkommensteuerbescheid ist solange zu berücksichtigen, bis ein neuer Einkommensteuerbescheid vorliegt.

4. Veränderungen der Beitragsbemessung können gemäß § 240 Abs. 4 S. 6 SGB 5 erst zum ersten Tag des auf die Vorlage des Nachweises der Einkünfte folgenden Monats wirksam werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 02.05.2018; Aktenzeichen B 12 KR 6/18 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 15. April 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Berechnung der vom Kläger ab dem 1. Januar 2011 zu zahlenden Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung streitig, d. h. zu welchem Zeitpunkt die mit Einkommensbescheid nachgewiesenen Einkünfte bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen sind.

Der Kläger ist seit dem 9. Juni 2002 bei der Beklagten zu 1) freiwillig krankenversichert und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert. Er meldete am 22. Dezember 2009 ein Gewerbe bei der Stadt A-Stadt an und war seit dem 1. Januar 2010 als hauptberuflich selbstständig Tätiger freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) und pflegeversichert bei der Beklagten zu 2).

Es erfolgte zunächst mit Bescheiden vom 1. April 2010 und vom 11. März 2011 eine vorläufige Beitragsfestsetzung zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage der monatlichen Mindestbemessungsgrundlage (1.916,25 €) unter Vorbehalt einer Nachberechnung nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides 2010. Auf der Grundlage eines Beitragssatzes von 14,3 % bzw. 2,2 % ergab dies ab 1. Januar 2010 eine monatliche Beitragsforderung i.H.v. insgesamt 316,18 € (Krankenversicherung 274,02 €, Pflegeversicherung 42,16 €) und ab 1. März 2011 bei einem Beitragssatz von 14,9 % bzw. 2,2 % i.H.v. insgesamt 327,68 € (Krankenversicherung 285,52 €, Pflegeversicherung 42,16 €).

Am 26. Oktober 2012 ging bei den Beklagten der Einkommensteuerbescheid des Klägers vom 21. August 2012 für das Jahr 2010 ein mit darin ausgewiesenen Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit i.H.v. 27.378,00 € (bzw. monatlich 2.281,50 €). Weiter teilte der Kläger mit, der Gewinn im Jahre 2011 werde voraussichtlich 26.750 € betragen. Für das Jahr 2012 bat er von einer Beitragsanpassung nach oben abzusehen, da seine Umsätze dramatisch eingebrochen seien; sie lägen zurzeit bei ca. 15.000 €. Ergänzend dazu legte der Kläger am 5. November 2012 einen Steuer-Vorauszahlungsbescheid des Finanzamtes A-Stadt vom 24. September 2012 vor, nachdem er für das Jahr 2012 keine Jahresvorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag zu leisten habe.

Die Beklagten setzten sodann mit Bescheid vom 6. November 2012 rückwirkend für den Zeitraum von 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2012 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach monatlichen Einkommen i.H.v. 2.281,50 € fest. Die Beklagten legten der Beitragsfestsetzung für das Jahr 2010 Beitragssätze von 14,3 % bzw. 2,2 % und ab 1. Januar 2011 von 14,9 % bzw. 2,2 % zugrunde. Dies ergab für das Jahr 2010 einen monatlichen Beitrag i.H.v. insgesamt 376,44 € und für das Jahr 2011 bis zum 30. September i.H.v. insgesamt 390,13 €. Ergänzend teilten die Beklagten dem Kläger mit, auf der Grundlage dieser Beitragsfestsetzung ergebe sich für den Zeitraum von Januar 2010 bis einschließlich September 2012 ein Nachzahlungsbetrag i.H.v. 1.953,84 €.

Mit weiterem Bescheid vom 6. November 2012 setzten die Beklagten die ab dem 1. Oktober 2012 zu zahlenden Beitrage erneut vorläufig unter Vorbehalt einer Nachberechnung nach der Mindestbemessungsgrundlage von 1.968,75 € fest. Bei einem Beitragssatz von 14,9 % bzw. 2,2 % ergab dies einen monatlichen Beitrag i.H.v. insgesamt 336,65 €.

Der Kläger erhob Widerspruch gegen die Beitragsforderung für die Jahre 2011 und 2012. Die Beiträge für das Jahr 2011 bzw. 2012 seien nach dem jeweils geltenden Einkommensteuerbescheid festzusetzen. Der Steuerbescheid für das Jahr 2011 liege ihm noch nicht vor und die Umsätze des laufenden Jahres 2012 lägen zurzeit bei 16.102,24 €. Er machte darüber hinaus geltend, die Nachberechnung sei unbillig und widerspreche der kaufmännischen Handhabung sowie der geltenden Rechtsprechung.

Die Beklagten wiesen mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2013 den Widerspruch zurück. Auf der Grundlage von § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch...

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