Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. Handlungstendenz. geringfügige Unterbrechung. kurzes Aussteigen aus dem Pkw. Schließen des Hoftores. entgegengesetzte Richtung. Sturz auf eigenem Grundstück bei Fahrtbeginn

 

Leitsatz (amtlich)

Versicherungsschutz besteht auf dem Hinweg zur Arbeit mit dem Durchschreiten der Haustür und erstreckt sich ab dann auch auf Gefahrenmomente, die vom privaten Grundstück ausgehen.

Tritt der Versicherte die Fahrt zur Arbeit auf dem eigenen Grundstück an, indem er das zuvor geöffnete Hoftor durchfährt, so spricht eine natürliche Betrachtungsweise dafür, von dem Fortbestehen der auf das Erreichen der Arbeitsstätte gerichteten Handlungstendenz auch beim Verschließen des Hoftores (einschließlich des Hin- und Rückwegs zum Pkw) auszugehen.

Sieht man in der Verrichtung im Zusammenhang mit dem Verschließen des Hoftors eine Unterbrechung des Hinwegs zur Arbeit, so handelt es sich jedenfalls nur um eine geringfügige, die im Hinblick auf den Versicherungsschutz nicht schädlich ist.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. April 2015 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Unfalles vom 28. Januar 2013 als Wege- bzw. Arbeitsunfall. Er hatte zuvor einen weiteren Arbeitsunfall erlitten mit der Folge einer Amputation der linken Hand, die wieder angenäht wurde, weswegen er eine Unfallrente nach einer MdE von 20 v.H. von der Bau-Berufsgenossenschaft bezieht.

Der 1952 geborene Kläger war als Schulhausmeister bei der Stadt A. an der D-Schule und an der E-Schule in A-Stadt angestellt. Am 28. Januar 2013 wollte er gegen 06:30 Uhr mit der Arbeit beginnen. Sein Wohnhaus verließ er - wie üblich - gegen 06:15 Uhr durch die Haustür. Sein Auto war auf dem mit einem Hoftor abgegrenzten Innenhof geparkt. Er ging durch die Haustür zum Hoftor, öffnete es, fuhr sein Auto nach rechts aus dem Hof heraus und stellte es längs zur Fahrbahn unmittelbar vor dem Hoftor ab. Er stieg aus, um das Hoftor zu schließen. Als er um das Auto herumlief und sich auf der Höhe des Hecks befand, rutschte er auf vereister Fahrbahn (Asphalt) aus und fiel auf die rechte Schulter, wie die Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 20. März 2013 und die Angaben des Klägers der Beklagten gegenüber vom 21. März und 29. Juni 2013 ergeben haben. Der Kläger erlitt bei dem Sturz eine schwere mehrfragmentäre Schulterverletzung (sog. knöcherne Bankart-Läsion) und musste deswegen längerfristig ärztlich behandelt werden. Die Beklagte zahlte ausweislich ihrer Aufstellung vom 22. Januar 2014 36.899,66 € für die ambulante und stationäre medizinische Behandlung sowie Verletztengeld bis 27. September 2013.

Die Beklagte veranlasste das erste Rentengutachten des Prof. F., Chirurgische U…klinik F…, vom 6. Januar 2014 zur Feststellung der Unfallfolgen, der beim Kläger eine massive Omarthrose mit deutlicher Einschränkung von Beweglichkeit/Belastbarkeit der rechten Schulter als Unfallfolge feststellte, wodurch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. bestehe. Das von Prof. F. für erforderlich gehaltene neurologische Zusatzgutachten ließ die Beklagte nicht mehr erstellen, da sie parallel zur Begutachtung in die Prüfung eingetreten war, ob der Unfall als Arbeitsunfall Anerkennung finden könne. Die deswegen ergangene Anfrage der Beklagten vom 11. Dezember 2013 zu den näheren Umständen des Unfallgeschehens beantwortete der Kläger am 13. Dezember 2013 und fügte eine Unfallskizze bei. Auf die Frage, wie lange es gedauert hätte das Hoftor zu schließen (aussteigen - Weg - zurück zum Auto), teilt er mit, er würde sagen ungefähr 2 Minuten. Mit Bescheid vom 5. Februar 2014 lehnte die Beklagte daraufhin Ansprüche des Klägers auf Entschädigungsleistungen anlässlich des Ereignisses vom 28. Januar 2013 ab, da das Ereignis kein Arbeitsunfall gewesen sei. Der Kläger habe den Weg zur Arbeit unterbrochen, um das Hoftor zu schließen. Nach dem Verlassen des Pkw sei er auf dem Weg zurück zum Hoftor gestürzt. Die Unterbrechung habe allein privaten Gründen gedient und sei nicht erforderlich gewesen, um den Weg zur Arbeit zurückzulegen, so dass der innere Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges und der eigentlich versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt nicht mehr bestanden habe. Die Unterbrechung könne nicht als geringfügig angesehen werden, denn das Schließen des Hoftores sei weder nur “im Vorbeigehen„ noch “ganz nebenher" möglich gewesen. Da der Kläger sich zum Unfallzeitpunkt auf einem nicht versicherten Weg befunden habe, sei Unfallversicherungsschutz zu verneinen.

Der Kläger erhob am 17. Februar 2014 Widerspruch mit der Begründung, das unfallbringende Verhalten müsse der versicherten Tätigkeit zugerechnet werden. Das Öffnen und Schließen des Hoftores stelle eine einhe...

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