Sturz auf der Treppe in das Homeoffice ist kein Arbeitsunfall

Stürzt ein Au­ßen­dienst­mit­ar­bei­ter in sei­nem Haus auf dem Weg von seinen Wohn­räu­men in seine Bü­ro­räu­me eine Wen­del­trep­pe hin­un­ter, liegt nach einem Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen kein Ar­beits­un­fall vor.

Der zu­rück­ge­leg­te Weg sei weder als Weg nach dem Ort der Tä­tig­keit als We­ge­un­fall ­ver­si­chert noch als ein ver­si­cher­ter Be­triebs­weg an­zu­se­hen

Der Fall

Der Kläger ist angestellter Gebietsverkaufsleiter im Außendienst. Er arbeitet regelmäßig auch in seinem Homeoffice. Im September 2018 stürzte er auf dem Weg von den Wohnräumen in seine Büroräume eine Wendeltreppe hinunter und erlitt einen Brustwirbeltrümmerbruch. Die beklagte Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) lehnte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da kein Arbeitsunfall vorliege. Der Sturz habe sich im häuslichen Wirkungskreis und nicht auf einem versicherten Weg ereignet.

Dagegen klagte der Kläger erfolgreich vor dem Sozialgericht Aachen (Az. S 6 U 5/19). Der vom Kläger am 17.09.2018 erlittene Sturz stelle danach einen Arbeitsunfall dar. Das Hinabsteigen der Treppe in seinem Wohnhaus habe in einem sachlichen Zusammenhang zu seiner versicherten Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter gestanden, denn der Kläger habe zum Zeitpunkt des Sturzes einen versicherten Betriebsweg nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zurückgelegt.

Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gezogene Grenze zwischen einer unversicherten Tätigkeit im häuslichen Lebensbereich und dem versicherten Zurücklegen eines Betriebsweges gelte grundsätzlich auch in den Fällen der Tätigkeit im sog. Homeoffice. Allerdings seien „Arbeitsstätten“ im häuslichen Bereich nur solche Arbeitsräume, in denen Arbeitsplätze aufgrund arbeitsvertraglicher (Individual-)Vereinbarungen innerhalb von Gebäuden dauerhaft eingerichtet seien und in denen Beschäftigte im Rahmen ihrer Arbeit regelmäßig tätig würden. Vorliegend handele es sich bei dem Arbeitszimmer des Klägers, das in dessen privatem Haus liege, um eine Arbeitsstätte im genannten Sinne.

LSG verneint einen Arbeitsunfall

Das LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 9.11.2020, Az. L 17 U 487/19) hat nunmehr der Berufung der beklagten Berufsgenossenschaft stattgegeben. Die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles seien nicht gegeben. Der vom Kläger zurückgelegte Weg sei weder als Weg nach dem Ort der Tätigkeit gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII als Wegeunfall versichert noch als ein versicherter Betriebsweg anzusehen.

Bei der Wegeunfallversicherung beginne der Versicherungsschutz erst mit dem Durchschreiten der Haustür des Gebäudes. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne deswegen ein im Homeoffice Beschäftigter niemals innerhalb des Hauses bzw. innerhalb der Wohnung auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit wegeunfallversichert sein.

Es liege auch kein versicherter Betriebsweg vor, da sich der Kläger zum Zeitpunkt des Treppensturzes auf dem Weg in sein Arbeitszimmer zur erstmaligen Aufnahme seiner versicherten Tätigkeit am Unfalltag befunden habe. Es handele sich bei Betriebswegen um Strecken, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt würden. Vor- und Nachbereitungshandlungen der versicherten Arbeitsleistungen fielen nicht darunter. Der Kläger habe den Weg gerade zurückgelegt, um seine versicherungspflichtige Tätigkeit im Homeoffice am Unfalltag erstmalig aufzunehmen.

Praxistipp: Unbefriedigende Situation bleibt

Sehr spitzfindig verweigert das LSG hier den Unfallversicherungsschutz als Wegeunfall, obwohl sich der Arbeitnehmer ja auf dem (Hin)-Weg in sein Büro befand, weil es nach der Rechtsprechung des BSG im eigenen Haus keine Wege zur Arbeit gibt. Gleichzeitig wird der Unfallversicherungsschutz als Betriebsweg abgelehnt, weil der Arbeitnehmer ja auf dem ersten Hinweg in sein Büro gewesen sei. Diese etwas merkwürdige Argumentation wird durch die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gestützt. Daran wird sich - vermutlich - auch in diesem Fall nichts ändern, obwohl auch dieses Verfahren dem BSG zur Entscheidung vorliegt (Az. B 2 U 4/21 R).

Sehr ärgerlich ist, dass der von der Bundesregierung geplante unfallversicherungsrechtliche Schutz von Mitarbeitern im Homeoffice mit dem Scheitern des sog. „Mobile-Arbeit-Gesetzes“ im Gesetzgebungsverfahren ebenfalls auf der Strecke geblieben ist.

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