Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Erhöhung der angemessenen Unterkunftskosten. Erforderlichkeit des Umzuges. Ausübung des Umgangsrechtes. Anwendung des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 bei überörtlichem Wohnungswechsel

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Umzug ist iS des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 erforderlich, wenn er durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt ist. Dies ist bei einem Antragsteller, der zur besseren Wahrnehmung des Umgangsrechts oder zur Aufrechterhaltung des Kontaktes mit seinem zweieinhalbjährigen Kind in eine andere Wohnortgemeinde umzieht, regelmäßig der Fall. Er kann daher die Übernahme der neuen - angemessenen - Unterkunftskosten vom nach dem Umzug zuständigen Leistungsträger beanspruchen, auch wenn diese höher als diejenigen am früheren Wohnort sind.

 

Orientierungssatz

Zur Frage der Anwendung von § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 bei überörtlichem Wohnungswechsel von einer Gemeinde in eine andere.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. November 2008 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab 15. September 2008 bis zum 31. März 2009 als Kosten der Unterkunft 556,20 € monatlich zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., B-Stadt, bewilligt.

 

Gründe

I. Streitig ist der Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe zu übernehmen und eine Mietkaution für seine Wohnung zu übernehmen.

Der 1960 geborene Antragsteller besitzt die Staatsangehörigkeit von Bangladesch und eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland. Er verzog am 9. Februar 2008 von C. nach A., um das Umgangsrecht mit seiner dreijährigen Tochter, die bei der von dem Antragsteller getrennt lebenden Frau und Mutter in A. lebt, besser ausüben zu können. In C. bewohnte er eine 2-Zimmerwohnung mit 48 m2 für einen monatlichen Bruttomietzins von 320,84 €, bestehend aus der monatlichen Miete von 207,07 €, Heizkosten von 63,77 € und Nebenkosten in Höhe von 50,00 €. In A. mietete der Antragsteller am 8. Februar 2008 zum 15. Februar 2008 eine 1 1/2-Zimmerwohnung in der A. Straße für eine Bruttomiete von monatlich 588,00 €, bestehend aus der Kaltmiete von 400,00 €, einer monatlichen Vorauszahlung von 150,00 € und Heizkosten in Höhe von 38,00 €; als Kaution war ein Betrag in Höhe von drei Monatsnettomieten vereinbart. Eine Zusicherung zu den hierfür in A. anfallenden Unterkunftskosten ist weder von der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) C., welche dem Antragsteller bis zum 31. März 2008 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gewährte, erteilt worden, noch holte er eine solche vor Abschluss des Mietvertrages bzw. vor dem Umzug von der Antragsgegnerin ein.

Antragsgemäß bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Als Kosten für Unterkunft und Heizung gewährte sie jedoch lediglich einen Monatsbetrag von 320,84 €. Im Bewilligungsbescheid vom 15. April 2008, der den Leistungszeitraum bis 31. Juli 2008 umfasste, wies sie darauf hin, dass dem Antragsteller nur die Höhe der Mietzahlung aus C. bewilligt werde, da der Umzug nach A. nicht erforderlich gewesen und nicht genehmigt worden sei. Entsprechend verfuhr sie für den Zeitraum vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009 (Bewilligungsbescheid vom 2. Juli 2008).

Mit Schreiben vom 15. Juli 2008 machte der Antragsteller geltend, ihm sei wegen rückständiger Miete die Wohnung gekündigt worden. Die Vermieterin habe mit der Kaution aufgerechnet und verlange noch weitere 300 €. Diesen Betrag und die laufende Miete werde er selbst überweisen bzw. habe es schon getan. Die rückständige Miete in Höhe der verrechneten Kaution könne er jedoch im Moment nicht aufbringen, so dass Obdachlosigkeit drohe. Er beantrage daher die Übernahme der Mietschulden in Höhe der Kaution von 800 €. Mit weiterem Schreiben vom 8. August 2008 beantragte der Antragsteller zudem die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe und erläuterte darin, dass Grund des Umzugs das Bestreben gewesen sei, den Kontakt mit seiner damals zweieinhalb Jahre alten Tochter aufrechterhalten zu können. Durch Bescheid vom 18. September 2008 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Übernahme der Kaution ab.

Am 15. September 2008 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe zu übernehmen und eine Mietkaution für seine Wohnung in Höhe noch nicht gezahlter 800,00 € zu übernehmen. Seine Frau, mit der zuvor in C. zus...

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