Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Sorgfaltspflichten des Prozessbevollmächtigten bei der Notierung von Fristen. Unterbliebener Eintrag der Berufungsbegründungsfrist in den Fristenkalender

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Pflichten eines Rechtsanwalts gehört es nicht nur, Vorfristen für die Berufungsbegründung eintragen zu lassen, sondern er hat auch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die eigentliche Berufungsbegründungsfrist eingetragen wird.

Das Unterbleiben einer entsprechenden allgemeinen oder konkreten Anweisung stellt eine Organisationspflichtverletzung dar, die der Prozesspartei zuzurechnen ist.

 

Normenkette

ZPO a.F. § 519b; ArbGG a.F. § 66 Abs. 1 S. 1; ZPO a.F. § 85 Abs. 2, §§ 233, 519

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Urteil vom 27.11.2001; Aktenzeichen 2 Ca 260/01)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 27. November 2001 – 2 Ca 260/01 – wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, die ihren Sitz in Hagen hat, vermietet Baumaschinen auf verschiedenen Baustellen, u. a. auch in der Zeit von Dezember 2000 bis Februar 2001 in einem Steinbruch in Blasbach bei Wetzlar. Neben dem Beklagten waren auf dieser Baustelle die bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer P., S., L. und Drebes tätig. Den Mitarbeitern war von der Klägerin ein Firmenwagen Marke Opel Omega, der mit Normalbenzin zu betanken war, für Fahrten von der Baustelle in Blasbach zu den Wohnorten der dort beschäftigten Arbeitnehmer in Sachsen zur Verfügung gestellt worden. Der Beklagte wohnte in Naumburg bei Kassel und fuhr von dort arbeitstäglich zur Baustelle nach Blasbach mit seinem eigenen Kraftfahrzeug Marke Opel Corsa, der ebenfalls Normalbenzin benötigte. Der ebenfalls auf der Baustelle eingesetzte Mitarbeiter D. wohnte im Westerwald und fuhr täglich mit seinem Fahrzeug, welches mit Superbenzin zu betanken ist, nach Blasbach, wofür die Klägerin ihm einen Spritgeldzuschuss zahlte. Der Beklagte tankte auf die ihm von dem Mitarbeiter P. überlassene Tankkarte der Klägerin an der Araltankstelle in Hagen in der Zeit vom 4. Januar bis 15. Februar nachfolgende Mengen:

Tag

Betrag netto

Menge in Liter

Beleg Bl. d.A.

04.01.01

429.92

228,80

24

08.01.01

690,57

381.74

25

17.01.01

555,13

287,78

25

17.01.01

157,03

79,35

25

25.01.01

226,47

109,46

25

25.01.01

472,63

234.09

25

08.01.01

118,88

58,02

27

08.01.01

557,50

278,89

27

14.01.01

618,62

306,40

27

14.01.01

112,75

54.76

27

15.02.01

408.98

195.78

27

4348,48

2.215,07

Mit ihrer, dem Beklagten per Mahnbescheid am 2. Juni 2001 zugestellten Klage hat die Klägerin Ersatz der vorgenannten Tankkosten sowie Ersatz von Lohnkosten in Höhe von DM 525,00 verlangt, die für die jeweils drei ausgefallenen Arbeitsstunden je Tanktag angefallen seien. Sie hat behauptet, der Kläger habe den getankten Treibstoff nicht vollständig abgeführt, sondern für sich verbraucht.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 5.926,38 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gemäß § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetzes ab dem 6. Juni 2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, ausschließlich auf Anweisung des Vorarbeiters P. die Besorgung des Kraftstoffs vorgenommen und das erworbene Benzin nicht für sein eigenes Fahrzeug verwendet zu haben.

Das Arbeitsgericht Kassel hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen P. und D. sowie durch Einholung schriftlicher Aussagen der Zeugen S. und L. und sodann in seinem am 27. November 2001 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Beklagte habe nicht das Vorliegen einer unerlaubten Handlung des Beklagten beweisen können. Wegen der Einzelheiten der Entscheidung, insbesondere ihrer Begründung wird auf Bl. 86-89 d.A. Bezug genommen.

Gegen das ihr am 26. Februar 2002 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 20. März 2002 eingelegten und mit ihrer per Telefax am 29. April 2002 begründeten Berufung unter gleichzeitig an diesem Tag beantragter Wiedereinsetzung in den vongen Stand. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags behauptet die Klägerin unter Glaubhaftmachung durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der K … der verspätete Eingang der Berufungsbegründung beruhe auf dem Verschulden der Angestellten M. ihres Prozessbevollmächtigten. Nach Einlegung der Berufung habe ihr Prozessbevollmächtigte die Mitarbeiterin, die ihm als sehr zuverlässig und pflichtbewusst bekannt sei, angewiesen, in dem von ihr geführten Fristenkalender als Vortrist für die Fertigung der Berufungsbegründung eine Wiedervorlagefrist am 10. April 2002 zu notieren und sich selbst vergewissert, dass diese Eintragung erfolgt sei. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen habe die Angestellt M. jedoch diese Wiedervorlagefrist übersehen und die Akte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst am 26. April 2002 im Rahm...

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