Entscheidungsstichwort (Thema)

Streik. Vergütung. Tarifauslegung

 

Orientierungssatz

Zur Höhe des Vergütungsabzugs bei Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik

 

Normenkette

BGB § 611

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.04.2011; Aktenzeichen 14 Ca 6891/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.10.2012; Aktenzeichen 1 AZR 794/11)

BAG (Aktenzeichen 5 AZR 794/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 06. April 2011, 14 Ca 6891/10, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug über die Höhe des wegen Teilnahme an einem rechtmäßigen Streiks vorzunehmenden Vergütungsabzugs.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl.145 bis 148 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch am 06. April 2011 verkündetes Urteil, 14 Ca 6891/10, mit Ausnahme eines Teils der geltend gemachten Zinsforderungen stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, auch im Fall der Streikteilnahme sei die Vergütung für einen Fehltag um 1/30 und nicht um 8,6/172 zu kürzen. Die Tarifauslegung ergebe, dass § 5 Abs. 3 lit. b MTV Nr. 5a eine pauschalierende Berechnungsvorschrift für Fehltage mit generellem Charakter enthalte. Ein anderes Ergebnis würde im Übrigen den Grundsatz der Kampfparität verletzen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 148 bis 153 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 14. April 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03. Mai 2011 Berufung eingelegt und diese am 07. Juni 2011 begründet.

Sie hält daran fest, für einen Streiktag zum Vergütungsabzug von 8,6/172 berechtigt zu sein, und begründet dies mit der tarifvertraglich in § 4 1. Abschnitt Abs. 2 lit. a MTV Nr. 5a geregelten höchstzulässigen planmäßigen Arbeitszeit innerhalb eines Kalendermonats von 172 Stunden, die zu einer durchschnittlichen arbeitstäglichen Arbeitszeit von 8,6 Stunden führe. Sie wendet sich gegen die Auffassung des angefochtenen Urteils, wonach § 5 Abs. 3 lit. b MTV Nr. 5a eine pauschalierende Berechnungsvorschrift für Fehltage enthalte. § 5 Abs. 2 und Abs. 3 MTV Nr. 5a bestimme nur die Höhe des Vergütungsabzugs für die dort enumerativ aufgeführten Fälle. Der Streik werde vom eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 3 MTV Nr. 5a gerade nicht erfasst, wobei den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit einer Verdienstkürzung wegen Streikteilnahme geläufig gewesen sei, sie hierfür von einer Regelung abgesehen hätten, damit eine bewusste Regelungslücke vorliege, die von den Gerichten nicht durch analoge Anwendung des § 5 Abs. 3 MTV Nr. 5a geschlossen werden könne. Eine generelle Regelung liege gerade nicht vor. Sie wendet sich auch gegen die Auffassung, ihre Berechnung sei geeignet, die Kampfparität zu verletzen.

Sie beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 06. April 2011, 14 Ca 6891/10, die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und halten deren Auslegung für zutreffend. § 5 Abs. 3 lit. b MTV Nr. 5a enthalte eine generalisierende Regelung zur Berechnung von Fehltagen ohne Vergütungsanspruch. Die Auffassung der Beklagten, § 5 Abs. 2 und 3 MTV Nr. 5a enthalte nur eine enumerative Aufzählung bestimmter Tatbestände, sei unzutreffend. Für die Annahme, bei Streikteilnahme habe eine Kürzung von 8,6/172 pro Tag zu erfolgen, fehle eine Rechtsgrundlage. Weder bestehe eine regelmäßige Arbeitszeit von 172 Stunden monatlich noch eine solche von 8,6 Stunden arbeitstäglich.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 06. April 2011, 14 Ca 6891/10, ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 lit. a ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

Sie ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage im zuerkannten Umfang zu Recht stattgegeben. Den Klägern steht für Februar 2010 Vergütung in Höhe der Differenz zwischen vorgenommenem Abzug vom 8,6/172 (= 1/20) und berechtigtem Abzug von 1/30 zu, § 611 Abs. 1 BGB, wobei die Höhe der Differenz im Berufungsverfahren auch bezüglich der Kläger zu 4. und 7. unstreitig geworden ist, nachdem die Beklagte die entsprechenden Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht angreift.

Das Arbeitsgericht hat § 5 Abs. 3 MTV Nr. 5a zutreffend als Regelung mit generellem Charakter ausgelegt, die in § 5 Abs. 3 lit. b MTV Nr. 5a auch die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik erfasst. Es wird festgestellt, dass die Kammer den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zur Auslegung der Tarifnorm mit ...

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