(Rechtsbeschwerde zugelassen)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des § 111 S. 1 BetrVG 1972

 

Leitsatz (amtlich)

Der Ausschluß der Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte nach § 111 BetrVG bei Betriebsänderungen in Betrieben bis zu 20 Arbeitnehmern verstößt jedenfalls dann nicht gegen Art. 3 GG (allgemeiner Gleichheitssatz), wenn der jeweils betroffene Betrieb der einzige eines Unternehmens ist.

 

Normenkette

GG Art. 3; BetrVG 1972 § 111

 

Verfahrensgang

ArbG Bad Hersfeld (Beschluss vom 15.10.1987; Aktenzeichen 1 BV 10/87)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Bad Hersfeld vom 15.10.1987 – 1 BV 10/87 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht gegen diesen Beschluß wird für den Antragsteller zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten in vorliegenden Beschlußverfahren darüber, ob die Stillegung einer Abteilung mit neun Arbeitnehmern in einen Betrieb mit insgesamt weniger als 20 Arbeitnehmern, der der einzige Betrieb des Unternehmens ist, eine Betriebsänderung i. S. des § 111 BetrVG 1972 darstellt.

Der Antragsteller (Betriebsobmann) hat beantragt,

  1. festzustellen, daß die Stillegung des Betriebes der Antragsgegnerin in B. H. (Konstruktionsabteilung) ein mitbestimmungspflichtiger Vorgang i. S. des § 111 BetrVG ist;
  2. hilfsweise das vorliegende Beschlußverfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 GG einzuholen, ob § 111 BetrVG insoweit, als Betriebe unter 20 regelmässig beschäftigten Arbeitnehmern nicht sozialplanfähig sind, verfassungsgemäß ist.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Wegen des zugrundeliegenden Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten in erster Instanz wird auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Es hat auch keine Veranlassung gesehen, auf den hilfsweisen Verfahrensantrag des Antragstellers den Rechtsstreit auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

Gegen diesen dem Antragsteller am 1.12.1987 zugestellten Beschluß, auf dessen Inhalt zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird, richtet sich die am 4.12.1987 beim Beschwerdegericht eingegangene und gleichzeitig begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.

Der Antragsteller hält daran fest, daß der Ausschluß der Regelungen in §§ 111 und 112 BetrVG für Betriebe mit weniger als 21 Arbeitnehmern nicht nur rechtspolitisch verfehlt sei, sondern auch verfassungsrechtlich so bedenklich, daß Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG vorliegt. Für die Herausnahme der Kleinbetriebe aus den Betriebsänderungs- und Sozialplanregelungen des Betriebsverfassungsgesetzes gebe es keine nachvollziehbaren und stichhaltigen Gründe. – Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Antragstellers im übrigen wird auf seinen Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 2.12.1987 verwiesen.

Die Antragsgegnerin hat darauf hingewiesen, daß sie zwischenzeitlich liquidiert und im Handelsregister gelöscht worden sei.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Einer Entscheidung im Beschwerdeverfahren steht nicht die zwischenzeitliche Liquidation der Antragsgegnerin – einer GmbH – und deren Löschung im Handelsregister entgegen.

Die Löschung im Handelsregister hat nur deklaratorische Bedeutung. Ob Infolge Liquidation und weil kein verteilbares Vermögen mehr vorhanden ist die Parteifähigkeit – und damit die Beteiligtenfähigkeit der Antragsgegnerin (§ 10 ArbGG) – beendet ist (vgl. BGHZ 74, 212; Bokelmann NJW 77, 1130) kann dahinstehen. Denn vorliegend geht es nicht um Zahlungsansprüche: in einem solchen Falle jedenfalls ist vom Fortbestehen der Partei- bzw. Beteiligtenfähigkeit auszugehen (BAG RdA 82, 70 = AP Nr. 4 zu § 502 ZPO).

Auch der Antragsteller kann … weiterhin Beteiligter dieses Beschlußverfahrens sein, obgleich der Betrieb, für den der antragstellende Betriebsobmann zuständig war, nicht mehr existiert. Wenn es um die Frage des Vorliegens einer Betriebsänderung und damit der Aufstellung eines Sozialplanes geht, so hat der Betriebsrat bzw. der Betriebsobmann dann noch ein „Restmandat” (BAG AP Nr. 15 zu § 112 BetrVG 1987, zuletzt auch noch BAG DB 87, 1842).

2. Es besteht auch ein Rechtsschutzinteresse für den Feststellungsantrag des Antragstellers.

Ein Sozialplan kann auch noch nach Durchführung einer Betiebsänderung aufgestellt werden. Damit hat das Verfahren in dem das – umstrittene – Vorliegen einer Betriebsänderung zur Entscheidung gestellt wird, ihren Sinn (vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 111 BetrVG 1972, AP Nr. 26 zu § 112 BetrVG 1972).

3. In der Sache folgt die erkennende Kammer dem Arbeitsgericht.

a) Da im Betrieb der Antragsqegnerin weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftigt waren, kommen gem. § 111 Satz 1 BetrVG 1972 die Bestimmungen der §§ 111 ff nicht zum Zuge. Nur bei Betrieben mit (in der Regel) mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern ist über geplante Betri...

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