Nachgehend

Hessisches LAG (Beschluss vom 10.05.1988; Aktenzeichen 4 TaBV 161/87)

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Antragsgegnerin betreibt mit 11 Arbeitnehmern ein Unternehmen, in dem vor allem Maschinenanlagen für die chemische Industrie konstruiert werden.

Nach langwierigen Auseinandersetzungen mit den gewerkschaftlich organisierten 9 Arbeitnehmern wegen der Anwendung der Metalltarifverträge, die auch in zahlreichen Gerichtsverfahren ihren Niederschlag gefunden haben, beabsichtigt die Antragsgegnerin die Konstruktionsabteilung, in der die fraglichen 9 Arbeitnehmer beschäftigt waren, zum Ende September 1987 in der Weise umzustrukturieren, daß statt dieser Arbeitnehmer selbständige Gewerbetreibende mit der Erstellung von Konstruktionen beauftragt werden. Sie hat deshalb sämtliche 9 Arbeitnehmer zum 30.9. oder bei längerer Kündigungsfrist zum 31.12.1987 entlassen. Den von dem Arbeitnehmern gegen diese Kündigung eingelegten Kündigungsschutzklagen ist mit Urteil des erkennenden Gerichts vom 15.10.1987 stattgegeben worden.

Mit dem vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller die Feststellung, daß das Vorhaben der Antragsgegnerin ein mitbestimmungspflichtiger Vorgang im Sinne des § 111 BetrVG sei, und vertritt die Auffassung, daß die Bestimmung in § 111 Satz 1 BetrVG, die seine Anwendbarkeit auf Betriebe mit mehr als 20 Arbeitnehmern beschränke, wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art, 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sei.

Der Antragsteller beantragt,

  1. festzustellen, daß die Stillegung des Betrieben der Antragsgegnerin in … (Konstruktionsabteilung) ein mitbestimmungspflichtiger Vorgang im Sinnen des § 111 BetrVG ist;
  2. hilfsweise das vorliegende Beschlußverfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 GG einzuholen, ob § 111 BetrVG insoweit, als Betriebe unter 20 regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmern nicht sozialplanfähig sind, verfassungsgemäß ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Dem Hauptantrag kann schon deshalb nicht stattgegeben werden, weil – wie es der Antragsteller richtig sieht – die Beteiligung des Betriebsobmannes bei der von der Antragsgegnerin geplanten Betriebsänderung nach der Regelung in § 111 BetrVG nicht notwendig ist, weil der Betrieb nicht mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt.

Gegen diese gesetzliche Regelung bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, so daß das Gericht keine Veranlassung sieht, dem Verfahrensantrag des Antragstellers nachzukommen und den Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG vorzulegen.

In zahlreichen gesetzlichen Regelungen (vgl. nur §§ 1, 99, 106, 111, 112 a BetrVG, 23 Abs. 1 KSchG, 2 Abs. 1 AngKSchG) verlangt der Gesetzgeber für die Errichtung eines Organs der Betriebsverfassung bzw. seines Mitwirkens oder für die Anwendbarkeit eines Gesetzes eine bestimmte Anzahl von Beschäftigten, wobei der gesetzlichen Regelung unterschiedliche Motive zugrundeliegen mögen.

Die einzelnen angesprochenen Regelungen im Betriebsverfassungsgegetz lassen ersichtlich die Absicht des Gesetzgebers erkennen, kleinere Betriebs mit der kostenintensiven Einrichtung wie Betriebsräten, Wirtschaftsausschüssen, Interessenausgleichen und Sozialplänen nicht zu belasten und ihre Finanz- und Wirtschaftskraft nicht zu schmälern. In dieser wirtschaftlich vernünftigen Differenzierung liegt kein Mißbrauch des dem Gesetzgeber zukommenden walten Entscheidungsspielraumes und vor allem keine willkürliche Ungleichbehandlung gleichgelagerter Sachverhalte (vgl. ebenso LAG Düsseldorf, Beschluß v. 22.11.1979 – 3 TaBV 30/79 – Der Betrieb 80, 213).

In der Festlegung konkreter Beschäftigungszahlen („mehr als 20”, „mehr als 5”, „mehr als 100” usw.) liegt natürlich ein Moment der Willkür, aber dieses willkürliche Moment ist stets bei der gesetzlichen Festlegung von Fristen, Größen, Maßstäben etc. Festzustellen und gleichsam systemimmanent.

Aus diesen Gründen sind auch bisher in der Rechtsprechung noch keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§ 111 ff. BetrVG erhoben worden. Das Bundesarbeitsgericht verliert in seinen einschlägigen Entscheidungen dazu kein Wort, sondern bemüht sich um Festlegung der Maßstäbe, noch denen die konkrete Beschäftigtenzahl im Einzelfall festzustellen ist (vgl. BAG, Beschluß v. 12.2.1983 – 1 AZR 260/81 – Dar Betrieb 83, 1447 = EzA § 4 TVG, Ausschlußfristen, Entscheidung 54; Beschluß vom 19.7.1983 – 1 AZR 26/82 – Der Betrieb 1983, 2634).

Nach alledem ist der Antrag zurückzuweisen.

Kosten und Auslagen werden nicht erhoben (§ 12 Abs. 5 ArbGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1692739

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