Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussverfahren. Vergleich. Vertragstrafe. Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenregelung, die in einem Vergleich zur Beendigung eines Beschlussverfahrens vereinbart wurde. Vertragsstrafe. Unwirksamkeit der Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Unternehmer für die Verletzung von Mitbestimmungsrechten

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Betriebsrat kann vom Unternehmer die Zahlung einer Vertragsstrafe bei der Verletzung von Mitbestimmungsrechten auch dann nicht verlangen, wenn diese im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vereinbart wurde, da dies einem “Abkauf„ gesetzlicher Rechte gleichkäme und mit der gesetzlichen Konzeption der betrieblichen Mitbestimmung auch dann vereinbar wäre, wenn der Betriebsrat daraus keinen finanziellen Vorteil zu erwarten hätte.

 

Normenkette

BetrVG §§ 99-100

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.02.2010; Aktenzeichen 1 BV 562/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2010 - 1 BV 562/09 - abgeändert.

Die Anträge des Betriebsrats werden zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über die Verwirkung einer Vertragsstrafe wegen der Beschäftigung eines Werkstattangehörigen ohne vorherige Beteiligung des Betriebsrats.

Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist eine gemeinnützige Einrichtung in der Behindertenhilfe in Frankfurt am Main. Der Antragsteller (im Folgenden: Betriebsrat) ist der im Betrieb ordnungsgemäß gewählte neunköpfige Betriebsrat.

Am 10. September 2008 schlossen die Betriebsparteien vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main - 17 BV 1199/07 - folgenden Vergleich:

"1. Die Beteiligte zu 2) verpflichtet sich, es zu unterlassen, Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter einzustellen, soweit hierfür nicht die vorherige - erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich ersetzte - Zustimmung des Betriebsrats vorliegt, es sei denn, die Arbeitgeberin hat die notwendige Schritte für eine vorläufige personelle Maßnahme gem. § 100 BetrVG eingeleitet.

2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1 zahlt die Beteiligte zu 2) einen Betrag in Höhe von 2.000 Euro an eine gemeinnützige Organisation, die der Betriebsrat dann jeweilig benennt.

3. Ziffer 2 gilt für Verstöße, die in dem Zeitraum 01. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 erfolgen.

4. Hiermit ist das vorliegende Verfahren erledigt."

Mit "Einstellungsmitteilung gem. § 99 BetrVG für eine/n Praktikant/in" vom 16. Juni 2009 wandte sich die Arbeitgeberin an den Betriebsrat und bat um Zustimmung wegen der Einstellung von Herrn A für die Zeit vom 22. Juni 2009 bis 31. Juli 2009 im Rahmen eines Praktikums bei der Arbeitgeberin in der Einrichtung "B". Unter dem Datum des 23. Juni 2009 leitete der Betriebsrat der Arbeitgeberin deren "Einstellungsmitteilung gem. § 99 BetrVG für eine/n Praktikant/in" vom 16. Juni 2009 wieder zu und teilte unter der Rubrik "Bemerkungen" Folgendes mit: "Herr A hat bereits am 22. Juni 2009 angefangen. Keine Zustimmung im Nachhinein. Der Betriebsrat behält sich rechtliche Schritte vor." Mit Schreiben vom 03. Juli 2009 wandte sich der Betriebsrat erneut an die Arbeitgeberin und forderte diese wegen der Beschäftigung von Herrn A auf, an die Hilfe für krebskranke Kinder e.V. Frankfurt 2000.- Euro zu zahlen, da die Arbeitgeberin gegen ihre Verpflichtung aus Ziffer 1 des am 10. September 2008 vor dem Arbeitgericht Frankfurt am Main geschlossenen Vergleichs verstoßen habe. Dies lehnte sie mit Schreiben vom 21. Juli 2009 mit der Begründung ab, dass es sich bei der Beschäftigung von Herrn A nicht um eine Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG gehandelt habe. Daraufhin leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren ein, in dem er in erster Linie die Zahlung von 2.000 Euro an die gemeinnützige Einrichtung begehrt. In der Folgezeit kam es mehrfach zu Verstößen gegen die §§ 99, 100 BetrVG, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt wurde. In drei Fällen zahlte die Arbeitgeberin die Vertragsstrafe in Höhe von 2.000 Euro. Wegen der Vorfälle im Einzelnen wird auf den Schriftsatz des Betriebsrats vom 16. August 2010 Seite 2, 3 - Blatt 88, 89 der Akten - Bezug genommen. Wegen des weiteren Sachverhalts, des Vortrags der Beteiligten im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird im Übrigen auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Seite 2 bis 5 - Blatt 55 bis Blatt 58 der Akten - verwiesen.

Mit dem am 25. Februar 2010 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben und die Arbeitgeberin zur Zahlung vom 2.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung verpflichtet. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den angefochtenen Beschluss Seite 6 bis 8 - Blatt 59 bis Blatt 61 der Akten - Bezug genommen. Gegen diesen am 31. Mai 2010 zugestellten Beschluss hat die Arbeitgeberin am 25. Juni 2010 Beschwerde eingelegt und sie in der Beschwerdeschrift sogleich begründet.

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