Leitsatz

Hausgeldzahlungspflicht des werdenden Eigentümers (trotz seines Hinweises auf Nichtigkeit des Kaufvertrags wegen sittenwidriger Überhöhung des Kaufpreises)

 

Normenkette

§§ 16 Abs. 2, 28 WEG; § 138 BGB

 

Kommentar

  1. Ein Ersterwerber vom Bauträger hatte 1993 seinen Kaufvertrag abgeschlossen, 1994 das Übergabeprotokoll unterzeichnet; 1995 wurde für ihn eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. 1997 wurden erstmals weitere Ersterwerber/Miteigentümer in das Grundbuch eingetragen. 1999 hatte der Ersterwerber seine Wohnung verpachtet. Zuletzt stellte der Ersterwerber seine Hausgeldzahlungen ein, und zwar mit der Behauptung, die Wohnung wegen diverser Mängel nie tatsächlich in Besitz genommen und vermietet zu haben, da sie erst im Jahr 2007 bewohnbar gewesen sei; im Übrigen vertrat er die Auffassung, dass der Kaufvertrag wegen sittenwidriger Kaufpreisüberhöhung nichtig sei; er hätte die Wohnung zu einem Kaufpreis von 316.448 DM erworben und könnte sie lediglich zu einem Kaufpreis von 41.000 EUR nach wirklichem Wert der Wohnung veräußern.
  2. Während das Amtsgericht Regensburg das Institut eines werdenden Eigentümers verneinte (!), da das Gesetz keine werdende Gemeinschaft kenne und unter Wohnungseigentümern nur im Grundbuch eingetragene Eigentümer verstehe, verurteilte das Berufungsgericht die Beklagten zu entsprechenden Hausgeldzahlungen nach Abrechnung, Wirtschaftsplan und Sonderumlage.
  3. Beitragszahlungspflichten entstehen auch für sog. werdende Eigentümer im Gründungsstadium einer Gemeinschaft, zumal ab Bezugsfertigkeit und Übergabe der Wohnungen die Anlage bewirtschaftet und verwaltet werden muss. Solche Erwerber besitzen eine rechtlich verfestigte Eigentumsanwartschaft mit entsprechenden Zahlungspflichten ab Lasten- und Nutzungsübergang und den damit verbundenen Mitwirkungsrechten an der Verwaltung der Wohnanlage. Solche Rechte und Pflichten bestehen antizipiert nach Abschluss eines Erwerbsvertrags, Sicherung des Übereignungsanspruchs durch Auflassungsvormerkung und Besitzübergang. Bereits das Vorliegen eines Vertrags reicht nach Auffassung der Kammer aus, auch wenn der BGH (NJW 2008 S. 2639) bisher von einem "wirksamen Erwerbsvertrag" ausging. Allerdings ging es dort nicht um mögliche Vertragsnichtigkeiten. Der Entscheidung des OLG Dresden (ZMR 2010 S. 462) lag bereits ein Verkehrswertgutachten aus einem – wegen Insolvenzeröffnung unterbrochenen – Rechtsstreit zwischen Erwerber und Veräußerer zum Verkehrswert der Eigentumswohnung zugrunde. Das BayObLG (NJW-RR 2003 S. 1663) kam zur Nichtigkeit eines Kaufvertrags wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz. Der Entscheidung des BGH (NJW 1994 S. 3352) ging ein gerichtliches Verfahren zwischen Käufer und Verkäufer wegen Anfechtung des Kaufvertrags durch arglistige Täuschung voraus, das durch einen Vergleich mit Rückübereignung an den Verkäufer beendet worden war.
  4. In solchen Hausgeldzahlungsprozessen kann es nach Meinung der Kammer nicht auf die Wirksamkeit des Kaufvertrags ankommen; eine mögliche Sittenwidrigkeit des Vertrags wegen überhöhter Kaufpreisforderung kann nicht in das Hausgeldverfahren verlagert werden, da solche Fragen das Verhältnis zwischen Bauträger und Käufer betreffen und eine Gemeinschaft über das Zustandekommen eines Kaufvertrags keine bzw. kaum Kenntnis besitzt. Eine Gemeinschaft ist vielmehr auf die sofortige Verfügbarkeit von Hausgeldzahlungen angewiesen, sodass auch nach h.M. grundsätzlich keine Aufrechnung bzw. Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts möglich ist. Eine erstmalige Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Verkehrswert einer Eigentumswohnung in einem Hausgeldprozess widerspricht dem Bedürfnis ordnungsgemäßer Verwaltung einer entstandenen faktischen Gemeinschaft; schon aus Gründen der Vermeidung der Verzögerung eines Rechtsstreits ist hier der Gemeinschaft ein Zuwarten nicht zuzumuten. Vorliegend bestand auch eine wirksame Auflassungsvormerkung mit dem guten Glauben des Grundbuchs gemäß § 891 BGB, solange keine verwertbaren Anhaltspunkte für die Nichtigkeit des Kaufvertrags wegen eines sittenwidrigen Kaufpreises vorlagen. Die Wohnung war auch in Besitz genommen. Somit bestand auch das Bedürfnis, entstandene Kosten auf die Besitzer und Nutznießer umzulegen.
  5. Die Forderungen waren vorliegend auch ersichtlich nicht verjährt.
Anmerkung

Zur Frage mit grundsätzlicher Bedeutung, ob die Wirksamkeit des Kaufvertrags im Rahmen eines Wohngeldprozesses durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Kaufpreishöhe und zur Überprüfung des Vortrags der Sittenwidrigkeit wegen überhöhter Kaufpreisforderung nachgegangen werden müsse, wurde Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen.

In diesem Zusammenhang darf ich auf meine kritische Anmerkung bereits in Gruppe 2, S. 2/7519 (August 2010) zur Beschlussentscheidung des OLG Dresden v. 17.12.2009 (ZWE 2010 S. 188 = ZMR 2010 S. 462) verweisen. In Anbetracht des jahrzehntelang anerkannten Instituts sog. werdender Eigentümer nach Aufteilung gemäß § 8 WEG und Wohnungsveräußerung du...

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