Leitsatz

Faktischer Eigentümer haftet der Gemeinschaft nicht für Wohngeldzahlungen, wenn der Kaufvertrag mit dem Bauträgerverkäufer nichtig ist (Sittenwidrigkeit wegen eines überhöhten Kaufpreises)

 

Normenkette

§ 16 Abs. 2 WEG; § 242 BGB

 

Kommentar

  1. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verlangte von einem sog. faktischen Eigentümer die Zahlung von Wohngeld. Der Antragsgegner hatte von einer Bauträger GmbH im Jahr 1999 ein Gewerbeteileigentum erworben. Anfang des Jahres 2000 wurde zu seinen Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Teileigentumsgrundbuch eingetragen. Für die etwa 70 qm große Gewerbeeinheit mit Sondernutzungsrechten, einem Pkw-Stellplatz und einer Außentreppe bezahlte die Antragsgegnerseite insgesamt 357.353 EUR. Der Kaufpreis wurde mit Kreditmitteln finanziert; Auflassung und Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgten nicht. Der Verkäufer wurde vom Antragsgegner auf Rückabwicklung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Im dortigen Verfahren bewertete ein Gerichtssachverständiger das Kaufobjekt nur auf 74.000 EUR.

    Das Landgericht Würzburg ging in diesem Verfahren vorläufig von einer Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags aus; noch vor dem anberaumten Verhandlungstermin im Jahr 2006 wurde allerdings über das Vermögen des beklagten Bauträgerverkäufers das Insolvenzverfahren eröffnet; seither ist der dortige Rechtsstreit unterbrochen.

    Im vorliegenden Fall klagte die ermächtigte Verwaltung auf rückständiges Wohngeld in Höhe von etwa 9.000 EUR. Im Zuge dieses Verfahrens versicherte der Antragsgegner ausdrücklich, dass er "nach wie vor von sich aus nicht beabsichtigte, als Eigentümer der gegenständlichen Immobilie eingetragen zu werden".

  2. Nach Meinung des OLG Dresden ergibt sich für den Antragsgegner eine Wohngeldhaftung nicht unmittelbar aus § 16 Abs. 2 WEG (für den Zeitraum 2001 bis 2005). Vielmehr ist im vorliegenden Fall bereits von Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags auszugehen, weshalb der Antragsgegner die Wohngelder auch nicht nach § 16 Abs. 2 WEG analog schuldet.

    Seit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 5.6.2008 (BGHZ 177, S. 53) bilden vor rechtlicher Entstehung einer Wohnungseigentümergemeinschaft alle (Erst-)Erwerber, für die eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen und denen der Besitz an der gekauften Wohnung übergeben worden ist, eine werdende Gemeinschaft; die faktischen Eigentümer sind hier auch analog § 16 Abs. 2 WEG zur Tragung der Kosten und Lasten des künftigen gemeinschaftlichen Eigentums verpflichtet; diese Verpflichtung entfällt auch nicht nach anschließender Entstehung einer Wohnungseigentümergemeinschaft im Rechtssinne. Vorausgesetzt wird allerdings ein wirksamer, auf die Übereignung von Wohnungs- bzw. Teileigentum gerichteter Erwerbsvertrag.

  3. Ist nun der mit einem insolventen Verkäufer geschlossene Kaufvertrag nichtig, schulden die Erwerber auch kein Wohngeld, auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben (etwa wegen widersprüchlichen Verhaltens). In von Bauträgern begründeten und umgesetzten Kapitalanlagemodellen der vorliegenden, eindrucksvollen Art ist es nicht selten in der Vergangenheit dazu gekommen, dass der mit Vollfinanzierung, Mietgarantie und treuhänderisch tätigem Geschäftsbesorger "eingedeckte" und mit Steuervorteilen geworbene Käufer solche Erwerbsverträge eher unkritisch abschließt und die Nachteiligkeit, möglicherweise sogar Sittenwidrigkeit des Kaufgeschäfts erst geraume Zeit später entdeckt und dann mehr oder weniger zielstrebig gegen den Verkäufer vorgeht. Ebenso typisch ist es, dass ein solcher Käufer zunächst glaubt, Eigentümer zu sein und der Gemeinschaft dementsprechend Wohngelder zahlen zu müssen und er auch – wie hier – zunächst Zahlungen leistet. Fallen dann für ihn Mieteinnahmen weg (hier: ab Mitte 2001), kann er diese Folgen auch zum Anlass nehmen, das Wohngeld nicht mehr zu bezahlen und die Wirksamkeit des Kaufvertrags prüfen zu lassen sowie anschließend gegen den Bauträger vorzugehen. Selbst wenn er daraufhin auch die bisher fehlende Auflassung und Eigentumsumschreibung im Grundbuch nicht mehr betreibt, kann ihm dies auch im Verhältnis zur Eigentümergemeinschaft nicht ansatzweise als treuwidrige Verhinderung des Bedingungseintritts nach § 162 Abs. 1 BGB ausgelegt werden. Von einer außergewöhnlichen Konstellation im Sinne der Entscheidung des OLG Stuttgart (Beschluss v. 13.7.2005, 8 W 170/05, ZMR 2005 S. 983) ist nach dem vorliegenden Sachverhalt in wesentlichen Punkten nicht auszugehen. Hier hat der Antragsgegner Wohngeldvorauszahlungen nach Fertigstellung des Objekts von Anfang 2000 bis 2002 – also nur für 2 Jahre – geleistet, in dieser Zeit auch entsprechende Mieteinnahmen erzielt. Nach Insolvenz des Bauträgers fielen allerdings Mieteingänge aus; auf die angemeldeten Mietforderungen im Insolvenzverfahren gab es auch keine Quote, sodass die Gewerbeeinheit ab März 2004 durchgehend leer stand und erst 2007 vom Insolvenzverwalter zu sehr bescheidenen Konditionen an den Inhaber einer Pizzeria vermietet werden konnte.

    Der Ant...

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