Leitsatz (amtlich)

1. Der Erstkäufer einer vom Bauträger errichteten Eigentumswohnung ist der werdenden und später rechtlich entstandenen Wohnungseigentümergemeinschaft, sobald er die Wohnung nutzt und eine Auflassungsvormerkung für ihn eingetragen ist, nicht stets zu Wohngeldzahlungen verpflichtet. Zusätzliche Voraussetzung einer Haftung entsprechend § 16 Abs. 2 WEG ist vielmehr die Wirksamkeit des Kaufvertrages, der den Übereignungsanspruch begründet.

2. Ist der Kaufvertrag wegen krass überhöhten Kaufpreises sittenwidrig, kommt eine Wohngeldhaftung des Erstkäufers allenfalls ganz ausnahmsweise nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) in Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Beschluss vom 28.07.2009; Aktenzeichen 3 T 347/08)

 

Tenor

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Chemnitz vom 28.7.2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde, an das LG zurückverwiesen.

2. Der Gegenstandswert des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 9.085,15 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin, in Würzburg ansässige Verwalterin einer Wohnungseigentumsanlage in C (41 Wohnungen und eine Gewerbeeinheit), macht in dem Mitte 2005 eingeleiteten Verfahren kraft entsprechender Ermächtigung der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen die beiden Antragsgegner (Eheleute), soweit noch von Interesse, Ansprüche auf restliche bzw. ganz ausstehende Wohngelder für die Jahre 2001 bis 2005 geltend.

Die Antragsgegner hatten von der S S-I-S & Bauträger GmbH Würzburg mit "Wohnungseigentumskaufvertrag mit Sanierungsverpflichtung" vom 31.8.1999 das zu bildende Teileigentum an der knapp 70 m2 großen Gewerbeeinheit Nr. 20 samt Sondernutzungsrechten für einen Pkw-Stellplatz und eine 20 m2 große Außenterrasse für insgesamt 357.353 DM gekauft. Am 21.2.2000 wurde zu ihren Gunsten eine Auflassungsvormerkung in das Teileigentumsgrundbuch eingetragen. Den Kaufpreis zahlten sie mit Kreditmitteln d. Auflassung und Umschreibung im Grundbuch sind bis heute nicht erfolgt. Vielmehr nahm der Antragsgegner zu 1 aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau die Verkäuferin mit Klageschrift vom 19.2.2004 vor dem LG Würzburg auf Rückabwicklung und Schadensersatz in Anspruch. Seine u.a. aufgestellte Behauptung, der Kaufpreis sei krass überhöht, stützte er auf ein vorab eingeholtes Gutachten vom 30.7.2003; darin hatte der Sachverständige M den Ertrags- und Verkehrswert mit 92.100 EUR und den Sachwert mit sogar nur 46.800 EUR ermittelt. Der im Verlaufe des Rechtsstreits beauftragte Gerichtssachverständige S veranschlagte in seinem Gutachten vom 22.7.2005 den Verkehrswert des Teileigentums zum Stichtag des Kaufs auf 74.000 EUR (= 144.731,42 DM). Das LG Würzburg ging deshalb in seiner Terminierungsverfügung vom 10.11.2005 vorläufig von einer Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages aus. Noch vor dem anberaumten Verhandlungstermin, nämlich am 15.1.2006, wurde über das Vermögen der verklagten Verkäuferin das Insolvenzverfahren eröffnet. Seither ist der dortige Rechtsstreit unterbrochen.

In vorliegender Sache hat das AG die Antragsgegner am 4.4.2008 - unter Abweisung des weitergehenden Begehrens der Antragstellerin - als Gesamtschuldner verpflichtet, an die Antragstellerin als rückständiges Wohngeld 9.085,15 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die dagegen gerichtete zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das LG mit Beschluss vom 28.7.2009 zurückgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsgegner ihr Begehren auf vollständige Abweisung des Antrags weiter. Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels und, im Wege der innerhalb der gesetzten Erwiderungsfrist eingelegten Anschlussbeschwerde, die Abänderung der Beschwerdeentscheidung im Kostenpunkt dahin, dass die Antragsgegner zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin verpflichtet werden. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Antragsgegner ausdrücklich versichert, dass sie "nach wie vor von sich aus nicht beabsichtigen, als Eigentümer der gegenständlichen Immobilie eingetragen zu werden."

II. Die sofortige weitere Beschwerde beurteilt sich gem. § 62 Abs. 1 S. 1 WEG nach altem Verfahrensrecht. Danach ist sie zulässig, §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 45 Abs. 1 WEG a.F., §§ 27, 29 FGG a.F.

III. Das Rechtsmittel ist begründet, weil die Beschwerdeentscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 Abs. 1 FGG a.F., § 546 ZPO. Da es weiterer tatrichterlicher Aufklärung bedarf, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zurückzuverweisen, § 27 Abs. 1 FGG a.F., § 546 ZPO. Dabei wird das LG über die Kosten, auch die des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde, insgesamt neu zu befinden haben. Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin ist damit gegenstandslos.

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