Rz. 9

Die Verwertung des gepfändeten Pflichtteilsanspruchs darf allerdings erst dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. Dies ist eine gesetzliche Einschränkung (BGH, Vollstreckung effektiv 2009, 94; OLG Brandenburg, ErbR 2011, 248 = MDR 2011, 985 = FamRZ 2011, 1681; OLG München, Rpfleger 2010, 495 = NZI 2010, 527 = MittBayNot 2010, 413 = Verbraucherinsolvenz aktuell 2010, 38 = ZIP 2010, 1308). Sie ist nicht Inhalt des Pfändungsbeschlusses, und es ist von Gesetzes wegen nicht geboten, sie in den Pfändungsbeschluss aufzunehmen. Ähnlich liegt es bei der – wenn auch nur in Grenzen vergleichbaren – Pfändung einer aufschiebend bedingten Forderung. Diese Pfändung kann ohne den Hinweis darauf erfolgen, dass die Verwertung erst dann erfolgen darf, wenn die Bedingung eingetreten ist (Stöber, Rn. 273a Fn. 26; vgl. BGH, BGHZ 123, 183, 187 = NJW 1993, 2876 = FamRZ 1993, 1307 = ZIP 1993, 1662 = DB 1993, 2586 = Rpfleger 1994, 73 = WM 1993, 1729). Dass bei der Pfändung einer zukünftigen Forderung ein ausdrücklicher Hinweis im Pfändungsbeschluss verlangt wird, beruht darauf, dass abgesehen von den in §§ 832, 833 Abs. 2 ZPO geregelten Ausnahmefällen die Pfändung sonst nur die dem Schuldner bereits zustehenden und nicht künftige Ansprüche erfasst (OLG Karlsruhe, NJW-RR 93, 242; Zöller/Herget, § 29 Rn. 10).

 

Rz. 10

Ob ein Überweisungsbeschluss bereits erlassen werden kann, bevor die Voraussetzungen des Abs. 1 eingetreten sind ist nach wie vor streitig.

Ein Teil der Literatur ist der Auffassung, dass ein Überweisungsbeschluss vor Vorliegen der Voraussetzungen ergehen darf (LG Münster, NJW-RR 2006, 1020). Die Gegenansicht meint, der Pflichtteilsanspruch dürfe nicht zur Einziehung überwiesen werden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorliegen (MünchKomm/BGB-Lange, § 2317, Rn. 16; Staudinger/Ulrich/Haas (2006), § 2317, Rn. 53, 55). Der BGH (Vollstreckung effektiv 2009, 94 = FamRZ 2009, 869 = MDR 2009, 648 = Rpfleger 2009, 393 = BGHReport 2009, 701 = NJW-RR 2009, 997 = JurBüro 2009, 377 = KKZ 2010, 93 = DGVZ 2011, 29 = ZErb 2009, 162 FoVo 2009, 114 = NotBZ 2009, 219 = FamRB 2009, 244 = ErbStB 2009, 342; BGH, NJW 1993, 2876 = ZIP 1993, 1662 = DB 1993, 2586 = Rpfleger 1994, 73 = MDR 1994, 203 = KTS 1993, 667 = KKZ 1994, 228; BGH, NJW 2003, 1858 = Rpfleger 2003, 372 = Vollstreckung effektiv 2007, 88; LG Münster NZI 2009, 657; OLG Brandenburg, ErbR 2011, 248 = MDR 2011, 985 = FamRZ 2011, 1681; OLG München, Rpfleger 2010, 495 = NZI 2010, 527 = MittBayNot 2010, 413 = Verbraucherinsolvenz aktuell 2010, 38 = ZIP 2010, 1308) hat sich der letztgenannten Auffassung angeschlossen und vertritt die Ansicht, dass der Überweisungsbeschluss erst erlassen werden darf, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. Die Überweisung zur Einziehung stellt die übliche Art der Verwertung der gepfändeten Forderung dar. Infolge dessen erhält der Gläubiger die Kompetenz, die Forderung geltend zu machen und die Zahlung durch den Drittschuldner durchzusetzen. Diese Kompetenz darf ihm allerdings erst verliehen werden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. Vorher darf der Anspruch nicht verwertet und somit auch nicht zur Einziehung überwiesen werden. Dass Pfändung- und Überweisungsbeschluss zeitlich auseinander fallen, steht dem nicht entgegen. Vor Eintritt der Voraussetzungen des Abs. 1 zwischen Pfändung und Überweisung zu trennen, ist interessengerecht und entspricht dem Gesetzeszweck, dem Pflichtteilsberechtigten (Schuldner) mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit mit dem Erblasser die Entscheidung zu überlassen, ob der Pflichtteilsanspruch gegen den Erben (Drittschuldner) durchgesetzt werden soll. Eine vorzeitige Überweisung zur Einziehung würde die Gefahr heraufbeschwören, dass der Drittschuldner mit einem Einziehungsprozess überzogen wird. Bestreitet dann der Drittschuldner die Verwertungsreife nicht, hat der Schuldner keine Möglichkeit, die Durchsetzung seines Pflichtteilsanspruchs durch den Pfändungsgläubiger zu verhindern.

 

Rz. 11

In entsprechender Anwendung von § 836 Abs. 3 ZPO kann der Gläubiger vom Schuldner nach der Pfändung Auskunft darüber verlangen, ob die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen und die Überweisung zur Einziehung beim Vollstreckungsgericht beantragt werden kann (LG Dessau-Roßlau, Urteil v. 22.12.2010, 2 O 362/10 – Juris). Die Norm versetzt den Gläubiger in die Lage, sich die für die Durchsetzung des Anspruchs notwendige Kenntnis zu verschaffen. Dass sich die Pfändung des Pflichtteilsanspruchs auch auf den Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB als Nebenrecht erstreckt, reicht hierfür nicht aus. Denn der Anspruch aus § 2314 BGB bezieht sich lediglich auf den Bestand des Nachlasses. Die Auskunftspflicht nach § 836 Abs. 3 ZPO gilt dagegen für alle erheblichen Tatsachen und wesentlichen Umstände zur gerichtlichen und außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung und zu ihrer Durchsetzung. Sie betrifft insbes. auch die Pflicht, darüber Auskunft zu geben, ob der Anspruch vertraglich anerkannt worden oder re...

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