Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschwer (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) des unterlegenen Auskunftsklägers richtet sich nicht nach dem Auskunftsaufwand des Beklagten, sondern nach dem Wert der verlangten Auskunft und dieser regelmäßig nach einem Bruchteil (etwa ¼) der begehrten Zahlung oder Herausgabe (vgl. BGHZ 128, 89, juris-Tz. 14 m.w.N.).

2. Ist mit dem Auskunftsanspruch zugleich der Leistungsanspruch abgewiesen, richtet sich die Beschwer des Rechtsmittelführers nach dem abgewiesenen Leistungsanspruch.

3. Ein Ausschluss der Vererblichkeit des Pflichtteilsanspruchs, etwa indem der Pflichtteilsberechtigte auf seinen Anspruch verzichtet, wenn er vor der Realisierung des Pflichtteilsanspruchs verstirbt, kann nur in der Form des § 2348 BGB vereinbart werden (vgl. Lange in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 2317 Rz. 22 m.w.N.).

4. Der Untergang eines lebzeitigen Anspruchs des Erblassers gegen seinen späteren Erben durch Vereinigung von Gläubiger- und Schuldnerstellung in dessen Person (Konfusion) ist erbrechtlich unerheblich, denn insoweit gelten Rechtsverhältnisse entsprechend den §§ 1976, 2143, 2377 BGB als nicht erloschen (vgl. Palandt/Weidlich, 70. Aufl., § 2311 Rz. 2; BeckOK/Mayer, BGB § 2311 Rz. 4; jeweils mit weiteren Nachweisen).

5. Die Pfändungsbeschränkung des Pflichtteilsanspruchs durch § 852 Abs. 1 ZPO stellt keinen Erlöschenstatbestand dar, sondern lässt den Fortbestand des Anspruchs unangetastet; sie baut auf ihm auf und wäre andernfalls sinnlos.

6. Der Normzweck des § 852 ZPO schützt die Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten und entfällt darum mit dessen Tod. In der Sache wertet er regelmäßig innerfamiliäre Bindungen höher als die Interessen außerfamiliärer Gläubiger. Er beabsichtigt keine Privilegierung des Erben des Pflichtteilsberechtigten zu Lasten dessen Abkömmlinge, die der versterbende Pflichtteilsberechtigte bei seiner Testierung übergeht und die ihrerseits insoweit pflichtteilsberechtigt sind.

7. Die Nachlassteilhabe der Abkömmlinge ist Ausdruck einer Familiensolidarität, die in grundsätzlich unauflösbarer Weise zwischen dem Erblasser und seinen Abkömmlingen besteht; insoweit hat das Pflichtteilsrecht die Funktion, die Fortsetzung des ideellen und wirtschaftlichen Zusammenhangs von Vermögen und Familie über den Tod des Vermögensinhabers hinaus zu ermöglichen (vgl. BVerfG Beschl. v. 19.4.2005 - 1 BvR 1644/00, 1 BvR 188/03, BVerfGE 112, 332).

8. Aufgrund der Pfändungsbeschränkung des Pflichtteilsanspruchs durch § 852 Abs. 1 ZPO ist lediglich seine zwangsweise Verwertbarkeit für Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten einzel- gesamtvollstreckungsrechtlich aufschiebend bedingt, nicht hingegen die Entstehung des Anspruchs (vgl. BGH, Urt. v. 26.2.2009 - VII ZB 30/08, WM 2009, 710; BGH, Urt. v. 25.6.2009 - IX ZB 196/08, WM 2009, 1517).

9. Hat bei einer Stufenklage das erstinstanzliche Gericht die Klage insgesamt abgewiesen und verurteilt das Berufungsgericht zur Auskunftserteilung, so ist eine Zurückverweisung der Sache wegen der folgenden Stufen in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zulässig (vgl. BGH NJW 1982, 235; NJW 2006, 2626; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 254 Rz. 9, Rz. 13, jew. m.w.N.).

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 14.08.2009; Aktenzeichen 12 O 342/08)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Beklagte unter Abänderung des Teilurteils des LG Frankfurt/O. vom 14.8.2009 - 12 O 342/08 - verurteilt, die dem Kläger gemäß Urteil des LG Frankfurt/O. vom 14.8.2009 durch Vorlage eines unter Hinzuziehung des Klägers erstelltes notarielles Bestandsverzeichnis zu erteilende Auskunft unter Einschluss des Bestandes des Nachlasses des am 5.6.2004 verstorbenen G. L. sowie der von diesem in der Zeit vom 5.6.1994 bis 5.6.2004 gemachten Schenkungen zu erteilen.

Im Übrigen wird die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das LG zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der berufungsführende Kläger verfolgt gegenüber dem Beklagten mit einer Stufenklage Pflichtteilsansprüche aus einem Erbfall nach Ge. L., deren ersteheliche Enkel beide Parteien sind.

Ge. L. war in zweiter - kinderloser - Ehe mit G. L. verheiratet. Dieser hatte den Beklagten durch Testament vom 30.12.2002 zu seinem Erben eingesetzt (vgl. 200 GA) und verstarb am 5.6.2004. Ge. L. hatte den Beklagten durch Testament vom 7.9.2003 (vgl. K 1, 5 GA) zu ihrem Erben eingesetzt und verstarb am 22.7.2006.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die - derzeit in erster Stufe streitgegenständliche - Auskunftspflicht des Beklagten erstrecke sich auf den Bestand des Nachlasses des am 5.6.2004 verstorbenen G. L. einschließlich dessen seit dem 5.6.1994 gemachten Schenkungen, da der Pflichtteilsanspruch der Erblasserin in deren Nachlass falle.

Der Beklagte ist dem entgegen getreten und hat gemeint, der Pflichtteilsanspruch der Erblasserin sei nicht werthaltig gewesen, da sie ihn nach einem aus der Gesa...

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