Verfahrensgang

AG Münster (Aktenzeichen 75 IK 56/02)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 02.12.2010; Aktenzeichen IX ZB 184/09)

 

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 33 485,38 EUR.

Der Antrag der Schuldnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Auf einen Eigenantrag der Schuldnerin hin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts N. vom 30.12.2002 über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beteiligte zu 2) zum Treuhänder ernannt.

Am 08.07.2003 verstarb der Vater der Schuldnerin, der ihren Bruder als Alleinerben eingesetzt hatte.

Nach Durchführung des Schlusstermins im schriftlichen Verfahren wurde der Schuldnerin mit Beschluss vom 15.04.2004 die beantragte Restschuldbefreiung angekündigt und ausgesprochen, dass die Laufzeit der Abtretung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.12.2002 begonnen hat und sechs Jahre beträgt.

Mit weiterem Beschluss vom 17.06.2004 wurde das Insolvenzverfahren mangels zu verteilender Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben. Der verfügbare Massebestand betrug 0,00 EUR. Zu berücksichtigen gewesen wären Gläubiger mit angemeldeten Forderungen in Höhe von insgesamt 39 410,34 EUR.

Nach rechtskräftiger Ankündigung der Restschuldbefreiung entschied sich die Schuldnerin zur Rechtsverfolgung ihrer Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Am 06.07.2004 reichte sie beim Landgericht C. Stufenklage gegen ihren Bruder ein. Zahlungsklage wurde am 25.06.2007 erhoben.

Der Treuhänder verwies die Schuldnerin auf die Vorschrift des § 295 Abs. 1 Ziff. 2 InsO, wonach eine Erbschaft, die während des Laufs der Wohlverhaltensperiode anfällt, zur Hälfte an den Treuhänder herauszugeben ist. Ausweislich seines Schlussberichts vom 30.03.2009 konnten während der Wohlverhaltensperiode Einnahmen zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger nicht erzielt werden. Der Treuhänder vertrat in dem Bericht die Auffassung, dass der Pflichtteilsanspruch der Schuldnerin, da der Erbfall vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens eingetreten sei, in vollem Umfang zur Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO gehöre, so dass insoweit gemäß § 203 InsO die Nachtragsverteilung anzuordnen sei.

Das Landgericht C. gab der Zahlungsklage der Schuldnerin mit Urteil vom 16.01.2009 statt und verurteilte den Bruder zur Zahlung von 33 485,38 EUR nebst Zinsen an die Schuldnerin. Das Urteil ist den Angaben der Schuldnerin zufolge inzwischen rechtskräftig.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 02.04.2009 ordnete das Amtsgericht hinsichtlich der Einziehung des titulierten Betrages die Nachtragsverteilung an. Der Beschluss wurde der Schuldnerin formlos übersandt. Sie erhielt ihn eigenen Angaben zufolge am 07.04.2009 ohne Rechtsmittelbelehrung.

Die Schuldnerin legte gegen den Beschluss sofortige Beschwerde ein und stellte einen Prozesskostenhilfeantrag. Am 22.04.2009 ging der entsprechende anwaltliche Schriftsatz vom 20.04.2009 bei Gericht ein. Auf ihn und den weiteren Schriftsatz vom 15.06.2009 wird wegen der Beschwerdebegründung im Einzelnen verwiesen. Die Schuldnerin meint, ihr Pflichtteilsanspruch gehöre deshalb nicht zur Insolvenzmasse, weil sie den Anspruch erst nach Beendigung der Laufzeit der Wohlverhaltensperiode rechtskräftig durchgesetzt und damit im Sinne der Insolvenzordnung „erworben” habe, so dass weder § 35 InsO noch § 295 Abs. 1 Ziff. 2 InsO zur Anwendung kämen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27.04.2009, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt. Bei der Frage, ob der Pflichtteilsanspruch in die Masse falle, komme es allein auf den Zeitpunkt des Erbfalls an und nicht darauf, ob überhaupt und wann der Anspruch gerichtlich geltend gemacht oder gar durchgesetzt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist nach §§ 4, 6, 204 Abs. 2 S. 2 InsO in Verbindung mit §§ 567 ff ZPO zulässig, insbesondere ist sie, da eine förmliche Zustellung des angefochtenen Beschlusses entgegen § 4 Inso in Verbindung mit § 329 Abs. 3 ZPO nicht erfolgt ist, nicht verfristet. Eine fehlende, aber vorgeschriebene Zustellung löst nämlich den Beginn der Beschwerdefrist nicht aus (Zöller § 569 ZPO Randziffer 4).

Die zulässige Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Anordnung der Nachtragsverteilung ist nicht zu beanstanden.

Gemäß § 203 Abs. 1 Ziff. 3 InsO wird eine Nachtragsverteilung dann angeordnet, wenn „nach dem Schlusstermin Gegenstände der Masse ermittelt werden”. Das ist vorliegend der Fall.

Der Pflichtteilsanspruch der Schuldnerin gehört zur Insolvenzmasse.

Der Begriff der Insolvenzmasse ist in §§ 35, 36 InsO definiert. Er umfasst das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, § 35 InsO. Ausgenommen sind grundsätzlich die Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, § 36 Abs. 1 InsO.

Dass auch ein Pflichtteil...

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