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Die Frage, ob im Falle der Berufung (§ 514 Abs. 2 ZPO) oder des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil bzw. einen Vollstreckungsbescheid (§ 700 Abs. 1 ZPO) die Zwangsvollstreckung eingestellt werden kann, beurteilt sich nach den allgemeinen Kriterien. Allein für die Modalitäten der Einstellung enthält Abs. 1 Satz 2 Besonderheiten. Grundsätzlich darf die Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden. Eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung setzt voraus, dass entweder das Versäumnisurteil oder der Vollstreckungsbescheid nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder dass die Säumnis unverschuldet war, was die säumige Partei glaubhaft zu machen hat (OLG Dresden, JurBüro 2003, 107; OLG Brandenburg, NJW-RR 2002, 285; Zöller/Herget, § 719 Rn. 2). Umstritten ist, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 719 Abs. 1 S. 2 HS 2 ZPO (Ausnahme) die Einstellung ohne Sicherheitsleistung die zwingende Folge ist (OLG Köln, Beschluss v. 11.6.2015, 7 EK 1/15; OLG Stuttgart, NJW-RR 2003) oder ob hierfür zusätzlich die Voraussetzungen des § 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO (Glaubhaftmachung, dass der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Zwangsvollstreckung für ihn einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde) gegeben sein müssen. Überwiegend wird dies zu Recht und mit der Begründung für den Fall des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil oder einen Vollstreckungsbescheid bejaht, weil § 719 ZPO gegenüber § 707 ZPO keine Erleichterung, sondern eine Erschwernis darstellen soll (vgl. auch BVerfG, NJW-RR 2004, 934; KG, MDR 1985, 330; NJW 1984, 316; HansOLG Hamburg, NJW 1979, 1464; OLG Frankfurt/Main, MDR 1982, 588; Schuschke/Walker, § 719 Rn. 6; MünchKomm/ZPO-Götz, § 719 Rn. 7, 8; a. A.: OLG Celle, MDR 1999, 1345 = NJW-RR 2000, 1017; OLG Köln, InVo 1996, 270; OLG Hamm, MDR 1978, 412; OLG Köln, JurBüro 1988, 1086). Anders ist indes der Fall der Berufung nach § 514 Abs. 2 ZPO zu beurteilen. Da hier schon der formale Mangel zum Erfolg des Rechtsmittels führt, ist die Einstellung ohne Sicherheitsleistung allein unter den Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 2 gerechtfertigt (MünchKomm/ZPO-Götz, § 719 Rn. 9; a. A. BeckOK ZPO/Ulrici § 719 Rn. 12.2). War in der Vorinstanz versäumt worden, einen Schutzantrag nach § 712 ZPO zu stellen, kann dies nicht (mehr) nachgeholt werden (vgl. § 714 Rn. 2). Der Antrag nach § 719 ZPO bleibt gleichwohl zulässig und ist nicht deshalb ausgeschlossen (str. KG, MDR 2000, 1455; vgl. auch Zöller/Herget, § 719 Rn. 3 m. w. N.). Das Versäumnis dürfte indes bei der Abwägung zu berücksichtigen sein.

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