Leitsatz

Zur fristwahrenden Inanspruchnahme eines Gewährleistungsbürgen ist der Verwalter als gesetzlicher Vertreter der Wohnungseigentümer berechtigt

 

Normenkette

§ 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG, §§ 398ff. BGB, §§ 633ff. BGB

 

Kommentar

1. In zwei Gerichtsentscheidungen ging es um die Stellung des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft bei Gewährleistungsproblemen.

Eine Bonner Bauherrengemeinschaft hatte 1983 einen Generalübernehmer mit der schlüsselfertigen Erstellung einer größeren Wohnanlage beauftragt. Dieser vergab die gesamten Bauleistungen an einen Generalunternehmer. Nach Fertigstellung trat der Generalübernehmer die eigenen Gewährleistungsansprüche gegen den Generalunternehmer an die inzwischen gebildete Wohnungseigentümergemeinschaft ab, ebenso die Ansprüche aus einer Gewährleistungsbürgschaft. Diese war befristet bis zum 31.12.1989 und war auf erstes Anfordern ausgestellt.

Das Gebäude wies zahlreiche Mängel auf. Daraufhin beschlossen die Wohnungseigentümer am 29.04.1988 die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens gegen den Generalunternehmer. Am 27.12.1989 - also vier Tage vor Fristablauf - nahm die Verwalterin die Bank aus der Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von DM 209.000,- auf erstes Anfordern in Anspruch. Die Bank verweigert die Auszahlung, weil es für das Verlangen des Verwalters keinen Beschluss der Wohnungseigentümer gebe.

Das OLG Düsseldorf gibt den Wohnungseigentümern recht. Der BGH teilt diese Ansicht und hat die Revision der Bank mangels Erfolgsaussicht nicht angenommen.

2. Der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage ist gem. § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEGauch ohne entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümer zu anspruchserhaltenden Maßnahmen ermächtigt. Dies umfasst z. B. die fristwahrende Klageerhebung oder die Verjährungsunterbrechung. Mit diesen Fällen ist aus der Interessenlage der Wohnungseigentümer die fristwahrende Inanspruchnahme eines Gewährleistungsbürgen zu vergleichen.

Der Anspruch der Wohnungseigentümer auf Auszahlung der Bürgschaft ist auch fällig. Es kommt nicht darauf an, ob die behaupteten Mängel tatsächlich vorhanden sind. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern soll sicherstellen, dass die Begünstigten (hier die Wohnungseigentümer) im Bürgschaftsfall innerhalb kürzester Zeit liquide Mittel zur Verfügung haben. Dies ist nur zu erreichen, wenn Einwendungen aus dem Hauptschuldverhältnis in einen von der Bank einzuleitenden Rückforderungsprozess verwiesen werden. Die Darlegung konkreter Mängel gegenüber der Bank genügt also, um den Auszahlungsanspruch fällig zu stellen. Schließlich reicht es aus, dass die befristete Bürgschaft innerhalb der Frist in Anspruch genommen wird.

 

Link zur Entscheidung

( OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.12.1991, 22 U 114/91und BGH, Beschluss v. 01.10.1992, IX ZR 16/92)

zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung

Anmerkung:

Der Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage ist zu sog. "juristischen Erhaltungsakten"bevollmächtigt. Die Rechtsprechung zählt - soweit ersichtlich - erstmals auch die Inanspruchnahme einer befristeten Gewährleistungsbürgschaft dazu. Zum Zweck der Verjährungsunterbrechung wäre der Verwalter in gleicher Weise zur Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens auch ohne Beschluss der Wohnungseigentümer berechtigt gewesen.

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