Alternative 2: mangelnde zweckentsprechende Verwendung

Erhält der Mieter Leistungen für die Unterkunft und Heizung an sich gezahlt und setzt diese aber nicht für die Erfüllung seiner Mietzinsverpflichtung ein, steht die Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizkosten an den Vermieter nach § 22 Abs. 7 S. 2 SGB II im Ermessen des Jobcenters oder der sonst zuständigen Sozialbehörde. Regelbeispiele für eine nicht zweckentsprechende Verwendung der Mittel zeigt § 22 Abs. 7 S. 3 SGB II auf. Hierzu gehören nach dessen Nr. 1 auch Mietrückstände, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen, d.h. dass der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht, § 543 Abs. 2 BGB (siehe hierzu aktuell auch LSG Hessen v. 24.2.2023 – L 7 AS 41/22). Nach § 22 Abs. 7 S. 3 Nr. 4 SGB II kann auch die anderweitig begründete Eintragung im Schuldnerverzeichnis ein Indiz für eine baldige nicht mehr zweckentsprechende Verwendung der Mittel geben, die eine Direktzahlung an den Vermieter rechtfertigt.

 

Hinweis

Da die Zahlung an den Vermieter hier nicht auf dem Willen – Antrag – der leistungsberechtigten Person beruht, ist ihr dieses Vorgehen einerseits anzudrohen und ihr anderseits Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In der sozialrechtlichen Literatur wird eine restriktive Anwendung der Möglichkeit empfohlen, um der Gefahr einer Entmündigung des Leistungsberechtigten zu begegnen und ihm möglichst nicht die Eigenverantwortung für den verantwortungsvollen Umgang mit den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln abzunehmen. (BeckOGK/Lauterbach, Stand 1.12.2021, SGB II § 22 Rn 130). Andererseits ist das gesetzgeberische Ziel zu sehen, dass Transferleistungen der Zweckbestimmung entsprechend verwendet werden und dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung von Wohnungslosigkeit Rechnung getragen wird (BT-Drucks 17/3404, S. 98).

Androhung der fristlosen Kündigung fördert die Verfahrensweise

Auf eine Leistungserbringung nach § 22 Abs. 7 SGB II soll nach den Empfehlungen der Literatur verzichtet werden, wenn das Ende einer wirtschaftlichen Notlage des Leistungsberechtigten abzusehen und damit zu rechnen ist, dass es nicht zu einer Kündigung des Mietverhältnisses kommt. Es ist deshalb dem Vermieter dienlich, wenn er nach Zahlungsrückständen unter Darlegung der weiteren Voraussetzungen die fristlose Kündigung als Konsequenz aufzeigt und sie für den Fall weiterer Rückstände auch konkret androht. Entscheidend wird am Ende sein, dass eine konkrete und nicht nur eine abstrakte Gefahr der nicht zweckentsprechenden Verwendung der gezahlten Bedarfe für Unterkunft und Heizung besteht.

Der Vermieter ist gefragt

Da die leistungsberechtigte Person kaum selbst auf den Leistungsträger, das Jobcenter oder die sonst zuständige Sozialbehörde, zugehen wird, um mitzuteilen, dass sie gewährte Leistungen auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht zweckentsprechend verwendet, muss es dem Vermieter gestattet sein, auf den Leistungsträger zuzugehen, wenn der Mieter bereits Leistungen bezieht. Die Kontaktaufnahme des Vermieters ist dann nach Art 6 Abs. 1 lit b), e) und f) DSGVO gerechtfertigt.

 

Hinweis

Bezieht der Mieter noch keine Leistungen nach dem SGB II, ist die Frage schwieriger zu beantworten. Der Vermieter hat keinen Anspruch darauf, dass der Mieter solche Leistungen beantragt. Insoweit kann er mit Einwilligung des Mieters und im Sinne von Hilfestellungen eine solche Antragstellung nur gegenüber dem Mieter anregen und dann selbstverständlich auch auf der Grundlage einer entsprechenden Einwilligung auf den Leistungsträger zugehen, damit dieser der leistungsberechtigten Person Hilfe anbietet.

Achtung: Was, wenn die Miete höher ist als die Transferleistungen?

Die zwangsweise Direktzahlung nach § 22 Abs. 7 S. 3 SGB II hat zum Regelfall, dass die Miete mit den Bedarfen für Unterkunft und Heizung übereinstimmt. Ist dagegen ein Teil der Miete aus der Regelleistung zu zahlen, weil die gewährten Unterkunftskosten wegen Unangemessenheit nicht zur Deckung der Miete ausreichen oder eine sonstige Kürzung vorgenommen wurde, können die zur Deckung der Gesamtmiete erforderlichen Anteile an der Regelleistung – anders als bei der Einwilligung des Mieters – nicht nach § 22 Abs. 7 SGB II direkt an den Vermieter gezahlt werden.

Allerdings schließt dies eine Direktleistung nicht völlig aus. Zu beachten sind allerdings die Voraussetzungen von § 53 SGB I. Nach § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I können Ansprüche auf Geldleistungen übertragen werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass die Übertragung oder Verpfändung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt. Hier ist die Vermeidung einer fristlosen Kündigung und – angesichts der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt – der nachfolgenden Obdachlosigkeit des Miet...

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