Einführung

Immer wieder erreichen die FoVo Leseranfragen, die sich mit der Frage beschäftigen, wie zu verfahren ist, wenn der Schuldner verstirbt. Dabei stellen sich dem Gläubiger verschiedene Fragen:

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Kann weiter in den Nachlass vollstreckt werden? Wenn ja: wie?
Kann eine Erweiterung des Vollstreckungszugriffs auf das Eigenvermögen des Erben erreicht werden?

I. Am Anfang: Informationsmanagement

Informationsmanagement zum Erbfall

Dass der Schuldner verstorben ist, kann sich aus der Mitteilung eines Vollstreckungsorgans ergeben. Hat der Gläubiger aber nur vage Informationen oder Vermutungen, muss er den Erbfall zunächst ermitteln. Dem Gläubiger stehen dabei unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung:

Eine Melderegisterauskunft verzeichnet den Umstand des Todes (§ 44 Abs. 1 Nr. 5 BMG) und das Datum des Erbfalls (§ 45 Abs. 1 Nr. 9 BMG).
Im Personenstandsregister findet sich die Sterbeurkunde (§§ 61, 62 PStG).
Beim Nachlassgericht wird eine Nachlassakte geführt, wenn der Schuldner verstorben ist und eine letztwillige Verfügung errichtet hatte oder Vorgänge zur Ausschlagung der Erbschaft vorliegen (§§ 13, 357 FamFG).

Der Umstand des Erbfalls sollte beim Einwohnermeldeamt oder im Personenstandsregister verifiziert werden. Danach ist ein Auskunftsverlangen an das Nachlassgericht unverzichtbar.

Hier gibt es die Sterbeurkunde

Eine Abschrift der Sterbeurkunde erhält der Gläubiger nach §§ 61, 62 Personenstandsgesetz (PStG) bei dem Standesamt, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Geburtsort hat. Zur Glaubhaftmachung des rechtlichen Interesses ist der Titel vorzulegen. Der Gläubiger kann durch entsprechende Akteneinsicht beim Nachlassgericht nach § 13, 357 FamFG feststellen, ob Testamentsvollstreckung angeordnet ist und der Testamentsvollstrecker sein Amt angetreten hat. Er kann eine beglaubigte Abschrift der Bestellung zum Testamentsvollstrecker verlangen, die ihm dann als öffentlich beglaubigte Urkunde i.S.v. §§ 749, 727 ZPO zur Umschreibung dient.

 

Hinweis

Ist keine Nachlassakte vorhanden, ergibt sich daraus die gesetzliche Erbfolge, wobei aus dem Personenstandsregister ein Ehegatte (§ 1931 BGB) sowie Abkömmlinge und Eltern (§§ 1924 ff. BGB) als Erben ermittelt werden können. Streitig ist, ob dabei eine Auskunftsgebühr bei nicht vorhandener Nachlassakte erhoben werden darf oder ob das JVKostG den Anfall einer solchen Gebühr begründet (ablehnend OLG Koblenz v. 22.6.2016 – 14 W 295/16 und bestätigt am 6.3.2017 – 14 W 60/17; ebenso OLG Köln v. 8.1.2018 – 2 Wx 277/17; OLG Frankfurt v. 28.3.2019 – 25 W 23/18; a.A. OLG Düsseldorf v. 10.8.2017 – 10 W 391/17 und OLG Hamm v. 7.7.2017 – 25 W 119/17; OLG Oldenburg v. 8.11.2017 – 3 W 102/17)

Im Erbfall richtig agieren

Auch wenn es Hindernisse gibt, ist der Erbfall eine "zweite Chance", die Befriedigung der Forderung zu erreichen. Im Sinne der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB fallen dem oder den Erben auch die Verbindlichkeiten des Schuldners, § 1967 BGB, zur Last. Als Hindernis solcher Überlegungen erweist sich dabei die Notwendigkeit, die Erben des Schuldners ganz konkret zu ermitteln und zuvor verlässlich festzustellen, wer überhaupt Erbe des Schuldners geworden ist. Ist keine Ermittlung der Erben möglich, aber Vermögen des Schuldners bekannt, fragt sich, wie der Gläubiger auf dieses Vermögen zugreifen kann. Sind die Erben ermittelt, stellt sich für den Gläubiger die Frage, wie er agieren kann, damit er bei weiteren Vollstreckungen unnötige Kosten vermeidet und möglichst schnell eine gütliche Erledigung erreicht.

II. Die Vollstreckung in den Nachlass

Was begonnen ist, darf fortgeführt werden

Nicht immer stellt der Tod des Schuldners allerdings ein Hindernis für die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung dar. Nach § 779 ZPO kann eine Zwangsvollstreckung, die zur Zeit des Todes des Schuldners bereits begonnen hat, in den Nachlass fortgesetzt werden. Dabei verlangt § 779 ZPO nur, dass die Vollstreckung überhaupt einmal begonnen wurde, nicht dagegen, dass noch eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme andauert (AG Achim v. 4.8.2017 – 11 M 319/17; AG Bremerhaven DGVZ 1993, 60; MüKo-ZPO/Schmidt/Brinkmann, 6. Aufl. 2020, § 779 Rn 6; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 779 Rn 3). Der Gläubiger bedarf also keines auf die Erben nach § 727 ZPO umgeschriebenen Titels. Damit bedarf es auch keiner Ermittlung der Erben.

 

Beispiel I

Der Gläubiger hat den Gerichtsvollzieher mit der Pfändung des Pkw des Schuldners beauftragt. Diese scheitert, weil der Pkw im Mitgewahrsam eines Dritten stand, der nicht herausgabebereit war (§ 809 ZPO). Nachfolgend stirbt der Schuldner. Das Vollstreckungsgericht darf nun die Vollstreckung in Form der Pfändung des Herausgabeanspruchs des Schuldners nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Titel zunächst auf die Erben umgeschrieben werden müsse (LG Stuttgart DGVZ 1987, 12).

 

Beispiel II

Im vorausgehenden Beispiel zeigt sich bei der Pfändung durch den Gerichtsvollzieher, dass der zu pfändende Pkw offensichtlich einer Leasinggesellschaft gehört. War der Gerichtsvollzieher zugleich allgemein zur Mobiliarzwangsvollstreckung beauftragt, kann er ...

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