Der BGH räumt mit Vorurteilen auf

Mit aller dogmatischen Klarheit räumt der BGH mit überholten Vorurteilen gegenüber Inkassodienstleistern auf, wie sie sich in seit Jahren nicht aktualisierten Kommentierungen befinden und von behauptenden statt begründeten Gerichtsentscheidungen wiederholt werden. Festzuhalten ist:

Spätestens seit der Einführung des Rechtsdienstleistungsgesetzes zum 1.7.2008 sind fußend auf der Rechtsprechung des BVerfG aus den Jahren 2002 (NJW 2002, 1190) und 2004 (NJW-RR 2004, 1570) Inkassodienstleister sowohl im Verhältnis zum Gläubiger als auch im Verhältnis zum Schuldner als Rechtsdienstleister zu qualifizieren.
Die Inkassodienstleistung stellt einen Unterfall der umfassenden Rechtsdienstleistung dar und unterscheidet sich von Letzterer nur dadurch, dass sie nur die Einziehung einer Geldforderung betrifft (umfassend Goebel, Inkassodienstleistung und Inkassokosten, 3. Aufl. 2022, S. 44).
Sowohl Rechtsanwälte als auch Inkassodienstleister erbringen Inkassodienstleistungen und müssen insoweit schon verfassungsrechtlich gleichbehandelt werden (BT-Drucks 19/20348, S. 27). Das gilt für deren Vergütung wie den hierauf aufbauenden Erstattungsanspruch.
Unabhängig von der Frage, ob ein Rechtsanwalt oder ein Inkassodienstleister mit der Erbringung einer Inkassodienstleistung beauftragt wird, bestimmt sich die Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit der Beauftragung allein aus der Ex-ante-Sicht.
Wenn der Schuldner seine Einwendungen erst verspätet geltend macht, d.h. nicht schon auf die Rechnung oder kaufmännische Mahnung durch den Gläubiger oder die Forderung ohne materielle Einwendungen nur formell durch Widerspruch, Einspruch oder Rechtsmittel bestreitet und deshalb einen Wechsel des Rechtsdienstleister veranlasst, muss er die daraus resultierenden Mehrkosten tragen.

Sonderregelung des § 13f RDG in den Blick nehmen

Der Fall des BGH betrifft noch eine Konstellation vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht zum 1.10.2021. Gleichwohl transformiert der BGH seine Entscheidung schon in die aktuelle Rechtslage. Mit Ausnahme des Umstandes, dass im konkreten Einzelfall vorgerichtlich nur eine 0,9- statt einer 1,3 Geschäftsgebühr entstanden und erstattungsfähig gewesen wäre, gilt die Entscheidung mithin fort. Die postulierten Rechtsgrundsätze sind dabei auch in § 13f RDG festgelegt. Beauftragt der Gläubiger einer Forderung mit deren Einziehung sowohl einen Inkassodienstleister als auch einen Rechtsanwalt, so kann er danach die ihm dadurch entstehenden Kosten nur bis zu der Höhe als Schaden ersetzt verlangen, wie sie entstanden wären, wenn er nur einen Rechtsanwalt beauftragt hätte. Dies gilt grundsätzlich für alle außergerichtlichen und gerichtlichen Aufträge, aber eben nicht, wenn der Schuldner die Forderung erst nach der Beauftragung eines Inkassodienstleisters bestritten hat und das Bestreiten Anlass für die Beauftragung eines Rechtsanwalts gegeben hat.

Man kann nur hoffen, dass der verbliebenen abweichenden Kommentarliteratur wie der Instanzrechtsprechung nun der finale Wechsel zu einer pragmatischen Kostenbetrachtung gelingt.

VRiOLG Frank-Michael Goebel

FoVo 2/2023, S. 33 - 40

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