Entscheidungsstichwort (Thema)

Übernahme der Verpflichtung zur verbilligten Vermietung im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus ist keine sonstige Leistung des Erwerbers

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Übernahme der aus einem städtebaulichen Vertrag herrührenden Verpflichtung des Grundstücksveräußerers, Wohnungen einem bestimmten Personenkreis mietverbilligt zu überlassen, ist keine sonstige Leistung des Erwerbers im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und damit nicht Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.11.2022; Aktenzeichen II R 26/21)

 

Tenor

1. Der Grunderwerbsteueränderungsbescheid vom 26. Juli 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Oktober 2018 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob die Übernahme der aus einem städtebaulichen Vertrag herrührenden Verpflichtung der Grundstücksverkäuferin, neugeschaffenen Wohnraum an von der Stadt X benannte Mieter verbilligt zu überlassen, eine sonstige Leistung der Klägerin i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) ist.

Die Verkäuferin beabsichtigte, ein mehrere Hektar großes Areal in der Stadt X mit einer großen Anzahl von Wohneinheiten zu bebauen. In diesem Zusammenhang schloss die Verkäuferin am 19. März 2015 mit der Stadt X einen Städtebaulichen Vertrag, in dem sie gegenüber der Stadt X eine Vielzahl von Verpflichtungen übernahm. U.a. verpflichtete sich die Verkäuferin 9.470 qm der gesamtzulässigen Geschossfläche für den geförderten Wohnungsbau zu erstellen. Im sozialen Bindungsvertrag aus dem Jahr 2015, der die Einzelheiten hierzu regelte, entschied sich die Verkäuferin 6.314 qm Geschossfläche als Mietwohnungen im Rahmen des staatlichen Programms der einkommensorientierten Förderung (EOF) und 3.156 qm GF als Eigenwohnraum mit staatlicher Förderung zu realisieren. Die Förderung von Mietwohnraum im staatlichen Programm der EOF besteht aus zwei Darlehen und einem Zuschuss für den Bauherrn, im Gegenzug verpflichtet sich der Bauherr zur verbilligten Vermietung an von der Stadt X benannte Personen. Die Verkäuferin beabsichtigte, die Bebauung nicht selbst vorzunehmen, sondern die Baufelder an bauwillige Dritte zu veräußern, die die Verpflichtung der Verkäuferin aus dem städtebaulichen Vertrag zu übernehmen hatten. Den Rechtsnachfolgern der Verkäuferin wurde im städtebaulichen Vertrag die Möglichkeit eingeräumt, die Förderquote in anderer Variante zu realisieren. Die Mietwohnungen im Rahmen des Programms der EOF waren entsprechend den staatlichen Wohnraumförderungsbestimmungen und den Vorgaben der Stadt so kostengünstig zu errichten, dass sie förderfähig waren. Die Grundstücke waren im Finanzierungsplan mit einem Wertansatz von 281,20 EUR/qm Geschossfläche für die EOF Wohnungen ausgewiesen. Für den Fall des Verkaufs der Vertragsfläche an Dritte wurde darauf hingewiesen, dass ausschließlich die vorgenannten festen Verkehrswerte für die Flächen der Förderquote in den Förderanträgen als Grundstückswert anerkannt werden. Diese waren die Grundlage der in den staatlichen Wohnraumförderungsbestimmungen verlangten wirtschaftlichen Ausgeglichenheit des Fördervorhabens. Die Verkäuferin als Planungsbegünstigte räumte der Stadt X für einen Zeitraum von 25 Jahren für die im Rahmen der EOF geförderten Mietwohnungen ein Benennungsrecht ein, zu dessen Sicherung sich der Planungsbegünstigte verpflichtete, eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundstück einzutragen. Auch die Verpflichtung zur verbilligten Vermietung hatte eine Laufzeit von 25 Jahren. Die Eingangsmiete war auf einen Preis von 9,40 EUR/qm gebunden. Ab dem sechsten Bindungsjahr durfte nach Maßgabe der Vorgaben im sozialen Bindungsvertrag die Miete bis auf einen Betrag von 1,50 EUR/qm unter der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden.

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 27. Mai 2015 erwarb die Klägerin eine Teilfläche von ca. 9.928 qm des o.g., ursprünglich der Verkäuferin gehörenden Grundstücksareals von der Verkäuferin2. Die Verkäuferin2 hatte die an die Klägerin verkaufte Grundstücksteilfläche kurz zuvor von der Verkäuferin erworben. Eine Teilfläche des Vertragsobjekts unterlag dabei der Sozialbindung aus dem städtebaulichen Vertrag vom 19. März 2015.

In Ziff. 2.3 des Kaufvertrages übernahm die Klägerin die Verpflichtung der Verkäuferin gegenüber der Stadt X (namentlich aus § 17 des städtebaulichen Vertrages i.V.m. dem sozialen Bindungsvertrag, Anlage 6 zum städtebaulichen Vertrag –im Folgenden städtebaulicher Vertrag genannt–) zur Herstellung der EOF-Wohnbebauung mit einer Geschossfläche von 6.314 qm.

Mit Bescheid vom 24. November 2...

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