Eine Abfindung – auch wenn sie vom Arbeitgeber in einem Betrag ausgezahlt wird sowie ohne Rücksicht auf ihren arbeitsrechtlichen Charakter – ist in erster Linie als unterhaltsrechtliches Einkommen zu qualifizieren, da die Sicherung des Lebensbedarfs der Teilhabe am Vermögen vorgeht.

1. Behandlung der vorhandenen Abfindung

Hat der Unterhaltspflichtige nach dem – unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbaren – Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung erhalten und hat er im Anschluss daran eine neue Arbeitsstelle mit dauerhaft geringerem Einkommen gefunden, so ist die Abfindung bis zur Höchstgrenze des Bedarfs aufgrund des früheren Einkommens grundsätzlich für den Unterhalt zu verwenden. Ob eine Aufstockung bis zum bisherigen Einkommen geboten ist und der bisherige Lebensstandard vollständig aufrechterhalten werden muss, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen, insbesondere auch nach der vom Unterhaltspflichtigen zu erwartenden weiteren Einkommensentwicklung.[25]

Die Abfindung dient dem Ersatz für fortgefallenes Arbeitseinkommen und soll dem Bezieher der Abfindung ermöglichen, trotz des Arbeitsplatzverlustes eine gewisse Zeit seine bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse aufrecht zu erhalten und auch seinen eigenen Unterhaltsbedarf in bisheriger Höhe sicherzustellen.[26]

Es muss nicht stets die Einkommensdifferenz zwischen dem früheren und dem aktuellen Einkommen aufzufüllen sein. Umstände des Einzelfalls können es als sachgerecht erscheinen lassen, sie – mit entsprechender Absenkung der unterhaltsrechtlichen Verhältnisse – auf einen längeren Zeitraum zu erstrecken (Vermeidung eines spürbaren Absinkens des Einkommens und des Unterhaltsniveaus nach einem für einen kürzeren Zeitraum bedarfserhaltenden Verbrauch- im Fall nur auf 24 Monate; mehrjährige Trennung und wirtschaftliche Verselbstständigung der Ehefrau, Unterhaltsbedürftigkeit des gemeinsamen Kindes voraussichtlich bis zum 25. Lebensjahr; angemessene Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile infolge des Arbeitsplatzwechsels des Ehemannes bei Verteilung auf 4 Jahre).

Weil die Abfindung nicht aus einer fortdauernden Erwerbstätigkeit herrührt, ist von ihr ein Erwerbstätigenbonus nicht in Abzug zu bringen.[27]

[25] BGH, Urt. v. 18. 4.2012 - XII ZR 65/10, NJW 2012, 1868 = FamRZ 2012, 1040 m. Anm. Borth.
[26] BGH, Urt. v. 14.1.1987 – IV b ZR 89/85, NJW 1987, 1554 = FamRZ 1987, 359.

2. Behandlung der Abfindung bei Verbrauch

Ist die Abfindung nicht mehr vorhanden, kann sich der Unterhaltspflichtige auf seine Leistungsunfähigkeit nur dann berufen, wenn er nicht unterhaltsbezogen leichtfertig oder verantwortungslos gehandelt hat.[28]

Stellt sich der behauptete Verbrauch der Abfindung unter den genannten Voraussetzungen als unterhaltsrechtlich vorwerfbar dar, so ist die Abfindung mit ihrem Nettobetrag als unterhaltsrelevantes Einkommen zu berücksichtigen. Im entschiedenen Fall wurden die Anschaffung einer Küche, eines Pkw sowie der Verbrauch für Bordellbesuche und Partys als unterhaltsrechtlich vorwerfbar behandelt.[29]

[28] Dazu OLG München, Beschl. v. 16.10.1997 – 12 WF 114/97, FamRZ 1998, 559 = BeckRS 1997, 12074.

3. Berücksichtigung einer Abfindung beim Unterhalt und im Zugewinn

Die unterhaltsrechtliche Behandlung schließt die Berücksichtigung der Abfindung im Zugewinnausgleich nicht aus. Dies ist möglich, wenn und soweit der Abfindungsbetrag unterhaltsrechtlich weder zur Sicherung des Bedarfs des anderen Ehegatten oder sonstiger Unterhaltsberechtigter noch des Abfindungsempfängers selbst benötigt wird, was aufgrund einer auf den jeweiligen Stichtag bezogenen Prognoseentscheidung zu beurteilen ist. Insoweit ist das Doppelverwertungsverbot nicht verletzt.[30]

[30] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 11.1.2022 – 6 UF 91/21, NJW-RR 2022, 368 Rn 24 = FamRZ 2022, 860 m. Anm. Borth, bespr. v. Obermann, NZFam 2022, 271; dazu auch Herr, Arbeitsrechtliche Abfindungen: Verwertung im Unterhalt und/oder im Zugewinnausgleich?, FF 2023, 24 ff.

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