Leitsatz (amtlich)

1. Bei Aufhebung einer Ehe besteht gem. § 1318 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 1570 BGB analog ein Anspruch auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt.

2. Bei Aufhebung einer bigamischen Ehe besteht auch bei Bösgläubigkeit der Ehegatten ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt in vollem Umfang, wenn ein vorrangiger Unterhaltsanspruch eines ersten Ehegatten nicht gegeben ist.

 

Normenkette

BGB § 1318 Abs. 1-2, §§ 1570, 1579 Nrn. 2-5, 7-8

 

Verfahrensgang

AG Essen-Borbeck (Aktenzeichen 12 F 128/16)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.134,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin begehrt nach Aufhebung ihrer mit dem Antragsgegner am 20.02.2010 geschlossenen Ehe die Zahlung von nachehelichem Unterhalt. Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Aus der am 20.02.2010 zwischen den Beteiligten geschlossenen Ehe sind die Kinder A B, geb. am 00.00.20XX, und C, geb. am 00.00.20XX, hervorgegangen. Die endgültige Trennung der Beteiligten erfolgte am 01.07.2015 innerhalb der Ehewohnung, aus der der Antragsteller am 13.12.2015 dann auszog. Die Kinder verblieben bei der Antragsgegnerin.

Für den Antragsteller war es die dritte Ehe, nachdem er zuvor Frau D - E, geb. F, am 25.08.1993 auf Jamaika geheiratet hatte und die in 1998 geschlossene Ehe mit Frau G, aus der die am 00.00.19XX geborene Tochter H hervorgegangen ist, im Jahre 2002 geschieden worden war.

Die auf Jamaika geschlossene Ehe ist vom Antragsteller bewusst nicht im Personenstandsregister angemeldet und erst im Jahre 2020 geschieden worden.

Der im Juni 2016 vom Antragsteller im vorliegenden Verfahren eingereichte Scheidungsantrag ist, nachdem die Doppelehe bekannt geworden war, nicht mehr beschieden worden. Vielmehr hat das Familiengericht auf Antrag der Antragsgegnerin am 22.02.2019 einen seit dem 26.03.2019 rechtskräftigen Eheaufhebungsbeschluss erlassen.

Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten um die Zahlung von nachehelichem Unterhalt, wobei die Antragsgegnerin zuletzt den Anspruch auf den Zeitraum bis zum 30.09.2019 beschränkt hat.

Die Fragen, ob der Antragsteller zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt verpflichtet ist, ist zwischen den Beteiligten streitig. Insbesondere ist umstritten, ob eine im Februar 2017 nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses als "(...)" vor dem Arbeitsgericht Aachen mit dem früheren Arbeitgeber des Antragstellers vergleichsweise vereinbarte Abfindung von 69.000,00 EUR brutto unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Ferner, ob die Antragsgegnerin, die als "(...)" teilschichtig in der Praxis ihres Vaters angestellt und daneben noch selbständig tätig ist, zur Aufnahme einer vollschichtigen Tätigkeit verpflichtet ist. Zudem, ob ein etwaiger Unterhaltsanspruch wegen Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft sowie aufgrund diverser Verhaltensweisen der Antragsgegnerin (Strafanzeigen, widersprüchlicher Vortrag im Verfahren etc.) verwirkt ist.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die ausführliche Sachverhaltsdarstellung nebst Wiedergabe der Anträge im angegriffenen Beschluss Bezug genommen.

Das Familiengericht hat - nach Beweisaufnahme zur Kenntnis von der Doppelehe - mit am 11.09.2020 verkündeten Beschluss den Antragsteller zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in Höhe von 2.134,00 EUR für den beantragten Zeitraum vom 26.03. bis zum 30.09.2019 gemäß § 1318 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 1570 Abs. 1 S. 2, 3 BGB verpflichtet. Dabei hat es ausgeführt, dem Antragsteller sei es nicht gelungen, eine positive Kenntnis der Antragsgegnerin vom Bestehen der ersten Ehe bzw. vom Aufhebungsgrund des § 1306 BGB zu beweisen. Unabhängig davon stehe § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB einer Anwendung des § 1570 BGB unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt entgegen, letztlich greife die Ausnahmeregelung des § 1318 Abs. 2 S. 2 BGB ein. Ferner hat es die Abfindung mit ihrem Nettobetrag bei der Ermittlung der Unterhaltsansprüche berücksichtigt und eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs verneint und diesen lediglich leicht reduziert.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den am 18.09.2020 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner am 16.10.2020 eingegangenen Beschwerde, die er nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 18.12.2020 mit am 14.12.2020 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Er ist der Ansicht, das Familiengericht habe sich nur unzureichend mit der Frage befasst, ob die Antragsgegnerin positive Kenntnis von der Aufhebbarkeit der Ehe hatte. Die Voraussetzungen des § 1318 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB lägen nicht vor. Ihre Gutgläubigkeit habe die Antragsgegnerin nicht substantiiert dargelegt. Hierzu behauptet er, sie habe hierzu in den verschiedenen Verfahren widersprüchlich vorgetragen und jedenfalls unmittelbar nach der Hochzeit davon erfahren, dass der Antragsteller noch verhe...

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