Vertritt der Rechtsanwalt zunächst die Ehefrau im Scheidungsverfahren mit dem Ziel einer schnellen Scheidung, damit sie alsbald ihren Freund heiraten kann, und vertritt er – nachdem die Heiratsabsichten gescheitert sind – später diesen Freund gegen die Frau in einem Rechtsstreit auf Herausgabe von Gegenständen und Zahlungen, die der Freund der Frau im Vertrauen auf eine gemeinsame Zukunft zugewendet hat, dürfte es an einem einheitlichen Lebenssachverhalt fehlen.[6] Entsprechendes gilt, wenn der Rechtsanwalt in einem Scheidungsverfahren die Ehefrau Müller und in einem zweiten zeitgleichen Scheidungsverfahren einen Ehemann Schmitz, mit dem sich Frau Müller neu verheiraten will, vertritt. Auch ist es möglich, in einem früheren Scheidungsverfahren die Ehefrau Müller und in einem späteren Scheidungsverfahren den Ehemann Müller gegen seine neue (zweite) Frau zu vertreten (aber Achtung, falls sich die Ehefrauen 1 und 2 hinsichtlich ihrer Unterhaltsansprüche ins Gehege kommen!).

Allerdings ist in solchen Konstellationen, wie übrigens in allen Fällen, in denen eine Interessenkollision geprüft und verneint wird, weiter zu untersuchen, ob sich möglicherweise aus der Verschwiegenheitsverpflichtung des Rechtsanwalts Probleme ergeben können. Weiß in der ersten Fallkonstellation der Anwalt etwa aus dem früheren Mandatsverhältnis etwas über den Verbleib der Gegenstände, die sein neuer Mandant herausbegehrt, müsste er das Mandat ablehnen, um nicht in einen Konflikt zwischen seiner Schweigepflicht gegenüber der Frau und seinen vertraglichen Pflichten gegenüber deren früherem Freund (= jetzigem Mandanten) zu geraten.

[6] A.A. wohl Feuerich/Feuerich, a.a.O., § 43a BRAO, Rn 67a.

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