Entscheidungsstichwort (Thema)

Freier Dienstleistungsverkehr. Binnenmarkt - Grundsätze. Rechtsangleichung. Vorlage zur Vorabentscheidung. Dienstleistungen im Binnenmarkt. Gültigkeitsprüfung. Rechtsgrundlage. Auslegung. Unmittelbare Wirkung. Unbedingter und hinreichend genauer Charakter der Pflicht der Mitgliedstaaten, ein neutrales und transparentes Verfahren zur Auswahl der Bewerber durchzuführen, sowie des Verbots, eine für eine bestimmte Tätigkeit erteilte Genehmigung automatisch zu verlängern. Nationale Regelung, die die automatische Verlängerung von Konzessionen für die Nutzung im öffentlichen Eigentum stehender Liegenschaften am Meer vorsieht

 

Normenkette

Richtlinie 2006/123/EG Art. 47, 55, 94, 12 Abs. 1-2

 

Beteiligte

Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato (Commune de Ginosa)

Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato

Comune di Ginosa

 

Tenor

1.Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt

ist dahin auszulegen, dass

er nicht nur auf ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse aufweisende Konzessionen für die Nutzung im öffentlichen Eigentum stehender Liegenschaften am Meer anwendbar ist.

2.Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123

ist dahin auszulegen, dass

er dem nicht entgegensteht, dass die Knappheit der natürlichen Ressourcen und der zur Verfügung stehenden Konzessionen in Kombination eines abstrakt-generellen Ansatzes auf nationaler Ebene und eines einzelfallbasierten, auf einer Analyse des Küstengebiets der betreffenden Gemeinde beruhenden Ansatzes beurteilt wird.

3.Die Prüfung der ersten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 2006/123 im Hinblick auf Art. 94 EG berühren könnte.

4.Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123

ist dahin auszulegen, dass

er die Pflicht der Mitgliedstaaten, ein neutrales und transparentes Verfahren zur Auswahl der Bewerber anzuwenden, sowie das Verbot, eine für eine bestimmte Tätigkeit erteilte Genehmigung automatisch zu verlängern, unbedingt und derart hinreichend genau definiert, dass davon ausgegangen werden kann, dass ihnen unmittelbare Wirkung zukommt.

5.Art. 288 Abs. 3 AEUV

ist dahin auszulegen, dass

die Beurteilung der unmittelbaren Wirkung der Pflicht und des Verbots, die in Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/123 vorgesehen sind, sowie die Pflicht, entgegenstehende nationale Vorschriften unangewendet zu lassen, den nationalen Gerichten und den Verwaltungsbehörden einschließlich der kommunalen obliegen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-348/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Puglia (Regionales Verwaltungsgericht Apulien, Italien) mit Entscheidung vom 11. Mai 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Mai 2022, in dem Verfahren

Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato

gegen

Comune di Ginosa,

Beteiligte:

L’Angolino Soc. coop.,

Lido Orsa Minore di AB,

La Capannina Srl,

Sud Platinum Srl,

Lido Zanzibar Srl,

Poseidone Srl,

Lg Srls,

Lido Franco di GH & C. Snc,

Lido Centrale Piccola Soc. Coop. arl,

Bagno Cesena Srls,

E.T. Edilizia e Turismo Srl,

Bluserena SpA,

Associazione Pro Loco „Luigi Strada“,

M2g Raw Materials SpA,

JF

D.M.D. Snc di CD & C. Snc,

Ro.Mat., di MN & Co Snc,

Perla dello Jonio Srl,

Ditta Individuale EF,

Associazione Dopolavoro Ferroviario Sez. Marina di Ginosa,

Al Capricio Bis di RS,

LB,

Sib Sindacato Italiano Balneari,

Federazione Imprese Demaniali,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter M. Safjan, N. Piçarra, N. Jääskinen und M. Gavalec (Berichterstatter),

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        der Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato und der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Palmieri, Avvocato dello Stato,
  • –        der Comune di Ginosa, vertreten durch G. Misserini, Avvocato,
  • –        der Sud Platinum Srl, der Lido Zanzibar Srl, der Poseidone Srl, der Lg Srls und der E.T. Edilizia e Turismo Srl, vertreten durch I. Loiodice, N. Maellaro und F. Mazzella, Avvocati,
  • –        der Sib Sindacato Italiano Balneari, vertreten durch A. Capacchione, S. Frandi und B. Ravenna, Avvocati,
  • –        der niederländischen Regierung, vertreten durch K. Bulterman und A. Hanje als Bevollmächtigte,
  • –        der finnischen Regierung, vertreten durch A. Laine und H. Leppo als Bevollmächtigte,
  • –        des Europäischen Parlaments, vertreten durch M. Menegatti und L. Stefani als Bevollmächtigte,
  • –        des Rates der Europäischen Union, vertreten durch A.-L. Meyer und S. Scarpa Ferraglio als Bevollmächtigte,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, V. Di Bucci, L. Malferrari und M. Mataija als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden...

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