Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung. Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem im Namen eines minderjährigen Kindes ein Antrag auf richterliche Genehmigung zur Ausschlagung einer Erbschaft gestellt wurde. Zuständigkeit in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung. Zuständigkeitsvereinbarung. Anerkennung der Zuständigkeit. Voraussetzungen

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 Art. 12 Abs. 3 Buchst. b

 

Beteiligte

Saponaro und Xylina

Alessandro Saponaro

Kalliopi-Chloi Xylina

 

Tenor

In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der die Eltern eines minderjährigen Kindes, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt mit diesem Kind in einem Mitgliedstaat haben, bei einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats im Namen dieses Kindes eine Genehmigung zur Ausschlagung einer Erbschaft beantragt haben, ist Art. 12 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 dahin auszulegen, dass

  • in der gemeinsamen Antragstellung der Eltern des Kindes beim Gericht ihrer Wahl ihre eindeutige Anerkennung dieses Gerichts liegt;
  • ein Staatsanwalt, der nach nationalem Recht kraft Gesetzes Partei des von den Eltern eingeleiteten Verfahrens ist, eine Partei des Verfahrens im Sinne des Art. 12 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 2201/2003 ist. Der Einspruch dieser Partei gegen die von den Eltern des Kindes getroffene Wahl des Gerichtsstands nach dem Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts steht einer Bejahung der Anerkennung der Zuständigkeit durch alle Parteien des Verfahrens zu diesem Zeitpunkt entgegen. Ohne einen solchen Einspruch kann das Einverständnis dieser Partei als stillschweigend gegeben angenommen werden, und die Voraussetzung, wonach die Zuständigkeit durch alle Parteien des Verfahrens zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts auf eindeutige Weise anerkannt worden sein muss, kann als erfüllt angesehen werden;
  • der Umstand, dass der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in dem Mitgliedstaat, dessen Gericht angerufen wurde, hatte, der Nachlass dort belegen ist und die Nachlassverbindlichkeiten dort bestehen, in Ermangelung von Anhaltspunkten dafür, dass die Vereinbarung über die Zuständigkeit die Gefahr nachteiliger Auswirkungen auf die Lage des Kindes birgt, die Annahme erlaubt, dass eine solche Vereinbarung über die Zuständigkeit in Einklang mit dem Wohl des Kindes steht.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Eirinodikeio Lerou (Friedensgericht Leros, Griechenland) mit Entscheidung vom 25. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 9. November 2016, in dem Verfahren

Alessandro Saponaro,

Kalliopi-Chloi Xylina

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. G. Fernlund (Berichterstatter) sowie der Richter A. Arabadjiev und E. Regan,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der griechischen Regierung, vertreten durch T. Papadopoulou, G. Papadaki und E. Tsaousi als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und A. Katsimerou als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Dezember 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. 2003, L 338, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Verfahrens über einen Antrag, den Herr Alessandro Saponaro und Frau Kalliopi-Chloi Xylina im Namen ihres minderjährigen Kindes gestellt haben und mit dem sie die richterliche Genehmigung zur Ausschlagung einer Erbschaft für dieses Kind begehren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der zwölfte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2201/2003 lautet:

„Die in dieser Verordnung für die elterliche Verantwortung festgelegten Zuständigkeitsvorschriften wurden dem Wohle des Kindes entsprechend und insbesondere nach dem Kriterium der räumlichen Nähe ausgestaltet. Die Zuständigkeit sollte vorzugsweise dem Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vorbehalten sein außer in bestimmten Fällen, in denen sich der Aufenthaltsort des Kindes geändert hat oder in denen die Träger der elterlichen Verantwortung etwas anderes vereinbart haben.”

Rz. 4

Art. 1 dieser Verordnung sieht vor:

„(1) Diese Verordnung gilt, ungeachtet der Art der Gerich...

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