Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen. Haftung für ein fehlerhaftes Produkt. In einem Mitgliedstaat hergestellte und in einem anderen Mitgliedstaat verkaufte Ware. Auslegung des Begriffs des ‚Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht’. Ort des ursächlichen Geschehens

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 44/2001

 

Beteiligte

Kainz

Andreas Kainz

Pantherwerke AG

 

Tenor

Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass die Haftung eines Herstellers für ein fehlerhaftes Produkt geltend gemacht wird, der Ort des den Schaden verursachenden Ereignisses der Ort ist, an dem das betreffende Produkt hergestellt wurde.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 28. November 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 2013, in dem Verfahren

Andreas Kainz

gegen

Pantherwerke AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Safjan (Berichterstatter) und J. Malenovský,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Kainz, vertreten durch Rechtsanwalt K. Kozák,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brighouse als Bevollmächtigte im Beistand von S. Lee, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Bogensberger und A.-M. Rouchaud-Joët als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Kainz, wohnhaft in Salzburg (Österreich), und der Pantherwerke AG, die ihren Sitz in Deutschland hat, wegen einer auf die Produkthaftung gestützten Schadensersatzklage, die Herr Kainz im Anschluss an einen Unfall erhoben hat, den er in Deutschland mit einem von der Pantherwerke AG in diesem Mitgliedstaat hergestellten, jedoch bei einem Einzelhändler in Österreich erworbenen Fahrrad erlitten hatte.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 44/2001

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2, 11, 12 und 15 der Verordnung Nr. 44/2001 heißt es:

„(2) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.

(11) Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten, und diese Zuständigkeit muss stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.

(12) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten muss durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind.

(15) Im Interesse einer abgestimmten Rechtspflege müssen Parallelverfahren so weit wie möglich vermieden werden, damit nicht in zwei Mitgliedstaaten miteinander unvereinbare Entscheidungen ergehen. …”

Rz. 4

Die Art. 2 bis 31 dieser Verordnung, die zu Kapitel II gehören, enthalten Zuständigkeitsvorschriften.

Rz. 5

Abschnitt 1 („Allgemeine Vorschriften”) dieses Kapitels enthält einen Art. 2 Abs. 1 mit folgendem Wortlaut:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.”

Rz. 6

Der ebenfalls zu diesem Abschnitt gehörende Art. 3 Abs....

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