Entscheidungsstichwort (Thema)

Massenentlassungen. Richtlinie 75/129/EWG. Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d. Einstellung der Tätigkeiten des Betriebes aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung. Vom Arbeitgeber aus eigenem Antrieb beschlossene Einstellung der Tätigkeiten des Betriebes

 

Beteiligte

Agorastoudis u.a

Georgios Agorastoudis u. a

Ioannis Pannou u. a

Kostandinos Kotsabougioukis u. a

Georgios Akritopoulos u. a

Goodyear Hellas ABEE

 

Tenor

Die Richtlinie 75/129/EWG des Rates vom 17. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ist dahin auszulegen, dass sie auf Massenentlassungen anwendbar ist, die durch die endgültige Einstellung der Tätigkeit eines Unternehmens oder Betriebes bedingt sind, die vom Arbeitgeber aus eigenem Antrieb beschlossen wurde und die ohne eine entsprechende vorherige gerichtliche Entscheidung erfolgt ist, ohne dass die in ihrem Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d vorgesehene Ausnahme ihre Anwendung ausschließen könnte.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Areios Pagos (Griechenland) mit Entscheidungen vom 17. März 2005, eingegangen beim Gerichtshof am 27. April 2005, in den Verfahren

Georgios Agorastoudis u. a. (C-187/05),

Ioannis Pannou u. a. (C-188/05),

Kostandinos Kotsabougioukis u. a. (C-189/05),

Georgios Akritopoulos u. a. (C-190/05)

gegen

Goodyear Hellas ABEE,

Beteiligte:

Geniki Synomospondia Ergaton Elladas (GSEE),

Ergatoypalliliko kentro Thessalonikis (C-187/05 und C-189/05),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Schiemann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. April 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Agorastoudis u. a., vertreten durch A. Kazakos, dikigoros,
  • von Herrn Pannou u. a., vertreten durch A. Kazakos, dikigoros,
  • von Herrn Kotsabougioukis u. a., vertreten durch A. Kazakos, dikigoros,
  • von Herrn Akritopoulos u. a., vertreten durch A. Kazakos, dikigoros,
  • der Goodyear Hellas ABEE, vertreten durch K. Kremalis und I.-D. Filiotis, dikigori,
  • der Geniki Synomospondia Ergaton Elladas (GSEE), vertreten durch A. Kazakos, dikigoros,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande und G. Rozet als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d der Richtlinie 75/129/EWG des Rates vom 17. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 48, S. 29).

2 Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen gekündigten Arbeitnehmern und ihrem früheren Arbeitgeber über die Rechtmäßigkeit der Massenentlassungen, von denen sie infolge der von diesem Arbeitgeber aus eigenem Antrieb beschlossenen Einstellung der Tätigkeit des Betriebes betroffen waren.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Die Richtlinie 75/129, die auf der Grundlage von Artikel 100 EWG-Vertrag (später Artikel 100 EG-Vertrag, jetzt Artikel 94 EG) erlassen wurde, soll nach ihrer ersten Begründungserwägung „[u]nter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft … den Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen … verstärken”. In ihrer zweiten Begründungserwägung heißt es: „Trotz einer konvergierenden Entwicklung bestehen weiterhin Unterschiede zwischen den in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft geltenden Bestimmungen hinsichtlich der Voraussetzungen und des Verfahrens für Massenentlassungen sowie hinsichtlich der Maßnahmen, die die Folgen dieser Entlassungen für die Arbeitnehmer mildern könnten.” Der fünften Begründungserwägung der Richtlinie zufolge muss daher auf dem Wege des Fortschritts im Sinne des Artikels 117 EWG-Vertrag (später Artikel 117 EG-Vertrag [die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden]) auf die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen hingewirkt werden.

4 Artikel 1 der Richtlinie 75/129 legt deren Anwendungsbereich wie folgt fest:

„(1) Für die Durchführung dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

a) Massenentlassungen sind Entlassungen, die ein Arbeitgeber aus einem oder mehreren Gründen, die nicht in der Person der Arbeitnehmer liegen, vornimmt und bei denen – nach Wahl der Mitgliedstaaten – die Zahl der Entlassungen

  • entweder innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen

    1. mindestens 10 in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 100 Arbeitnehmern,
    2. mindestens 10 v. H. der Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel mindestens 1...

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