Entscheidungsstichwort (Thema)

Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Nichteinlassung des Beklagten. Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Versagungsgründe. Keine rechtzeitige Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat. Begriff ‚Rechtsbehelf’. Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke. Frist, innerhalb der der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig ist

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Art. 34 Nr. 2; Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 Art. 19 Abs. 4

 

Beteiligte

Lebek

Emmanuel Lebek

Janusz Domino

 

Tenor

1. Der Begriff „Rechtsbehelf” in Art. 34 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass er auch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand umfasst, wenn die Frist für die Einlegung eines ordentlichen Rechtsbehelfs abgelaufen ist.

2. Art. 19 Abs. 4 letzter Unterabsatz der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten „Zustellung von Schriftstücken”) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates ist dahin auszulegen, dass er die Anwendung der Bestimmungen des nationalen Rechts über die Regelung in Bezug auf Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt, wenn die Frist abgelaufen ist, innerhalb deren solche Anträge nach der Mitteilung eines Mitgliedstaats, auf die Art. 19 Abs. 4 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 1393/2007 verweist, zulässig sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) mit Entscheidung vom 27. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Februar 2015, in dem Verfahren

Emmanuel Lebek

gegen

Janusz Domino

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešiš, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin), des Richters A. Rosas, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und R. Chambel Margarido als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. April 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 34 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Brüssel-I-Verordnung) und von Art. 19 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten „Zustellung von Schriftstücken”) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. 2007, L 324, S. 79).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Emmanuel Lebek und Herrn Janusz Domino über die Anerkennung der Vollstreckbarkeit eines Urteils eines französischen Gerichts in Polen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Brüssel-I-Verordnung

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 2, 6 und 16 bis 18 der Brüssel-I-Verordnung lauten:

„(2) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.

(6) Um den freien Verkehr der Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu gewährleisten, ist es erforderlich und angemessen, dass die Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen im Wege eines Gemeinschaftsrechtsakts festgelegt werden, der verbindlich und unmittelbar anwendbar ist.

(16) Das gegenseitige Vertrauen i...

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