Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlagerung der Steuerschuldnerschaft, Begriff des im Ausland ansässigen Unternehmers, Bedeutung eines inländischen Wohnsitzes

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der betreffende Steuerpflichtige bereits dann ein „im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger“ ist, wenn er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Ausland hat.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 21 Abs. 1 Buchst. b

 

Beteiligte

Stoppelkamp

Finanzamt Deggendorf

Markus Stoppelkamp als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Harald Raab

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 30.06.2010; Aktenzeichen XI R 5/08; BFH/NV 2010, 1955)

 

Tatbestand

„Mehrwertsteuer ‐ Sechste Richtlinie ‐ Art. 21 Abs. 1 Buchst. b ‐ Bestimmung des steuerlichen Anknüpfungspunkts ‐ Leistungen eines Dienstleisters, der in demselben Mitgliedstaat wohnt wie der Dienstleistungsempfänger, den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit jedoch in einem anderen Mitgliedstaat hat ‐ Begriff des im Ausland ansässigen Steuerpflichtigen“

In der Rechtssache C-421/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 30. Juni 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 25. August 2010, in dem Verfahren

Finanzamt Deggendorf

gegen

Markus Stoppelkamp als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Harald Raab

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-J. Kasel (Berichterstatter) sowie der Richter E. Levits und M. Safjan,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch C. Blaschke und T. Henze als Bevollmächtigte,

‐ der griechischen Regierung, vertreten durch F. Dedousi, I. Pouli und I. Bakopoulos als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 (ABl. L 269, S. 44) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Stoppelkamp als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Harald Raab und dem Finanzamt Deggendorf (im Folgenden: Finanzamt) über die Bestimmung des Schuldners der Mehrwertsteuer auf die von Herrn Raab erbrachten Dienstleistungen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.“

Rz. 4

Art. 9 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.“

Rz. 5

In Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie heißt es:

„Es gilt jedoch

e) als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige erbracht werden, der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort:

‐ Gestellung von Personal,

…“

Rz. 6

Art. 21 der Sechsten Richtlinie lautet:

„(1) Im inneren Anwendungsbereich schuldet die Mehrwertsteuer:

a) der Steuerpflichtige, der eine steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen durchführt bzw. eine steuerpflichtige Dienstleistung erbringt, mit Ausnahme der unter den Buchstaben b) und c) genannten Fälle.

Wird die steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen bzw. die steuerpflichtige Dienstleistung von einem nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen bewirkt bzw. erbracht, so können die Mitgliedstaaten gemäß den von ihnen festgelegten Bedingun...

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